In wenigen Minuten kann Herztod einsetzen

Losheim · In Losheim informierte ein breit und lebensnah angelegter „Cardioday“ über Anzeichen, Ursachen und Notfallmaßnahmen.

 Auf dem „Cardioday“ in Losheim lernten die Besucher, wie wichtig schnelle Beatmung und der Einsatz eines Defibrillators sein können. FOTOS: NINA DROKUR

Auf dem „Cardioday“ in Losheim lernten die Besucher, wie wichtig schnelle Beatmung und der Einsatz eines Defibrillators sein können. FOTOS: NINA DROKUR

Auf einem der verkabelten Ergometer am Eingang des Saalbaus tritt Carmen Hollatschek in die Pedale. Mit dem kostenlosen Belastungs-EKG, das beim Cardioday in Losheim angeboten wird, möchte die sportlich aktive 45-Jährige ihr "kardiologisches Alter" herauszufinden. Gleichzeitig lässt Margret Mertes beim Ruhe-EKG von Gesundheitsberaterin Bettina Bergmann ihren Stresswert ermitteln. Die praktischen Tests gehören fest zum Konzept der Kampagne "HerzGesund".

"Im Mittepunkt stehen dabei Herzgesundheit und Herzsicherheit", erläutert Initiator Gerd Müller. Als vor wenigen Jahren während eines Fußballspiels im saarländischen Hemmersdorf ein junger Spieler bewusstlos umfiel und anschließend aufgrund dramatischer Umstände verstarb, hat es sich Müller zum Ziel gesetzt, die Städte und Gemeinden in seinem Umfeld aufzuklären und sicherer zu machen.

Seither stellt er sein Konzept regelmäßig bei Vereinen, Firmen und in Stadthallen vor. Das Unglück im April 2013 ereignete sich einige Kilometer von Monika Bachmanns Zuhause entfernt. Die Gesundheitsministerin ist deshalb bei fast jedem Cardioday involviert und unterstützt das Projekt. "Das Saarland liegt bei den Herzerkrankungen leider über dem Bundesdurchschnitt", betont Bachmann. Die Bevölkerung aufzuklären und zu sensibilisieren, liege deshalb auch in ihrer Verantwortung.

Während sich im hinteren Teil des Saalbaus noch weitere Besucher den Herz-Checks der IKK-Südwest unterziehen, geht es auf der Bühne um das ernste Thema "plötzlicher Herztod". Der kann viele Ursachen haben, weiß Professor Tim Meyer, Mannschaftsarzt der deutschen Fußballnationalmannschaft und Dozent an der Universität Saarbrücken: "Die drei Hauptursachen sind angeborene Herzfehler, Herzmuskel-Entzündungen, etwa nach einer übergangenen Grippe, oder die Herzkranzgefäßverkalkung, die zum Herzinfarkt führen kann", erklärt der Sportmediziner. Die Anzeichen sind sehr unterschiedlich. "plötzliches Herzrasen zum Beispiel oder ein Engegefühl in der Brust."

Seit vier Jahren untersucht Meyer am Lehrstuhl in Saarbrücken plötzliche Herztode und kann klar eine Risikogruppe definieren: "Von 280 Fällen sind zwei Frauen und zwei Personen aus dem professionellen Sport. Der Rest sind Männer im Amateursport."

Vor allem wer erst nach 40 Jahren mit Sport anfängt oder nach einer langen Pause wieder einsteigt, soll seine Gesundheit im Blick behalten, rät der Mediziner.

Oft merken die Betroffenen im Vorfeld gar nichts, erläutert Referent Frank Marx. "Der plötzliche Herztod entspricht dem Verlust der normalen Herzfunktion. Die Opfer sind ohne Bewusstsein, ohne Atmung und ohne sonstige Lebenszeichen", so die Definition. In 70 bis 90 Prozent der Fälle ist nach den Worten des Experten Kammerflimmern die Ursache. Mit Bildern, auf Folien an die Wand projiziert, zeigt der ehemalige Rettungshubschrauber-Pilot, was genau bei Kammerflimmern mit dem Herzen passiert. "Der sichere Tod tritt ein, wenn nicht innerhalb von fünf Minuten ein elektrischer Schock erfolgt." Denn: "Nur ein Schock kann das Herzkammerflimmern beenden." Wenn so etwas, wie im Falle des Fußballers aus Hemmersdorf, passiert, "kann jeder Leben retten", lautet das Motto der Initiative. Weil viele nicht genau wissen, was ein Defibrillator ist oder Angst haben, etwas falsch zu machen, ist ein weiterer fester Bestandteil des Cardiodays, den Umgang mit Defibrillatoren und die Herz-Lungen-Massage zu erlernen.

Wenn es nach den Initiatoren von "HerzGesund" ginge, würde jede Stadt in Waben eingeteilt und jede Wabe mit einem sogenannten AED (automatisierter externer Defibrillator) ausgestattet werden. Damit die Bevölkerung im Notfall weiß, wo einer zu finden ist, müssten die "Defis" beispielsweise in einer App registriert sein. Das wäre die Wunschvorstellung der am Projekt Beteiligten.

 Auch eingehende individuelle Beratung bot der „Cardioday“ der IKK Südwest.

Auch eingehende individuelle Beratung bot der „Cardioday“ der IKK Südwest.

Der Defibrillator, den Frank Marx zur Wiederbelebung seiner Vorführpuppe ausgepackt hat, gibt ganz klare Anweisungen. Von "Notruf verständigen" bis "Elektronen ankleben" weist das Gerät via Sprachausgabe den Nutzer Schritt für Schritt klar und deutlich ein. Führt der Nutzer die Anweisungen nicht aus, wiederholt das Gerät, was als Nächstes zu tun ist. Nach dem Ankleben der Elektroden ermittelt das Gerät vollautomatisch, ob ein Elektroschock nötig ist, und setzt auch nur dann einen solchen ab. "Schock empfohlen", sagt das gelbe Gerät, und Marx nimmt Abstand von der Puppe. "Der Schock setzt das Herz zunächst auf null. Einen eigenständigen Herzschlag erzielt man damit in den seltensten Fällen", erläutert der Referent. Fünf Freiwillige bittet er deshalb auf die Bühne. Gemeinsam erlernen sie die Herz-Lungen-Wiederbelebung. "30 Mal drücken in einer 100er-Frequenz", rät Marx. "Eins und zwei und drei und vier", zählen sie gemeinsam. "Anschließend zwei Mal beatmen." Der Defibrillator überwacht dabei die Arbeit der Lebensretter und gibt gegebenenfalls Anweisungen wie "schneller" oder "langsamer". "Nach fünf bis zehn Minuten ohne Defibrillator und lebensrettende Maßnahmen sinkt die Überlebenschance pro Minute um zehn Prozent", kommentiert Gerd Müller. "Im Durchschnitt braucht der Rettungsdienst im Saarland zwölf Minuten, um vor Ort zu sein. Defibrillatoren und Herz-Lungen-Massage retten also Leben."

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