BI geht auf Distanz zu EnBW

Beckingen · Nach Einschätzung der Bürgerinitiative „Vernünftige Windenergie“ werden grundsätzliche Probleme des geplanten Projektes am Litermont, Mensch, Natur und Naherholung, nicht angemessen berücksichtigt.

 Sehr umstritten: der geplante Windpark Primsbogen. SymbolFOTO: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Sehr umstritten: der geplante Windpark Primsbogen. SymbolFOTO: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Wenige Tage, nachdem Beckingens Bürgermeister Erhard Seger im Amtsblatt der Gemeinde seine Sicht der Dinge zum umstrittenen Windpark Primsbogen kund getan hat, haben sich nun auch die Kritiker des Projektes auf diesem Wege zu Wort gemeldet: Die "Interessengemeinschaft Vernünftige Windenergie " hat in einer zweiseitigen Erklärung, die im Mitteilungsblatt abgedruckt wurde, dargelegt, warum sie den Windpark rund um den Litermont in der ursprünglich geplanten Form (siehe Infokasten) ablehnt. Zugleich äußert die Bürgerinitiative in ihrer Erklärung scharfe Kritik an dem vorgesehenen Windpark-Betreiber EnBW und geht auf Distanz zu dem Energiekonzern. Aus Sicht der BI sei auf Grund verschiedener Vorfälle der jüngsten Zeit "eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der EnBW für dieses Projekt nicht mehr möglich".

Die Windpark-Kritiker werfen den Planern von EnBW vor, bei der öffentlichen Vorstellung des Projektes "wissentlich falsche Informationen" präsentiert zu haben. So habe das Unternehmen selbst eine Schallprognose erstellt, "die eine wesentlich niedrigere Lärmbelastung auswies als das zur Genehmigung eingereichte externe Schallgutachten". Dieses externe Gutachten habe am 25. April, als das Windpark-Projekt in der Düppenweiler Kultur- und Sporthalle der Öffentlichkeit erstmals vorgestellt worden sei, bereits seit fünf Wochen vorgelegen, sei aber auf der Versammlung nicht erwähnt worden. "Sollte die tatsächliche Lärmbelastung den Bürgern vorenthalten werden?", fragen sich die BI-Vertreter. Zudem werfen sie dem Energiekonzern vor, er bagatellisiere die Anzahl der Transporte mit schweren Transportmaschinen, die während der Bauphase der geplanten acht Windräder erforderlich seien. "Es ist das Fünf- bis Achtfache der vom EnBW-Projektleiter angegebenen Lkw-, Schwer- und Spezialtransporte zu erwarten", urteilt die Interessengemeinschaft, die sich auf eigene Berechnungen stützt.

Auch habe die EnBW bis zum heutigen Tag das geforderte Verkehrskonzept nicht vorgelegt, mit dem gewährleistet werden soll, dass die Transporte zum Windpark gleichmäßig auf die drei beteiligten Kommunen Beckingen, Nalbach und Schmelz verteilt werden sollen. Darauf hatten sich die Bürgermeister der drei Gemeinden verständigt. "Die Vereinbarung der Bürgermeister wird offenbar von EnBW ignoriert", kritisieren die Windpark-Gegner.

Sie betonen, dass sowohl der Gemeinderat von Beckingen als auch jener von Nalbach sich dagegen ausgesprochen hat, das Einvernehmen der Gemeinde mit dem Bauantrag von EnBW beim Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA) herzustellen. Beide Räte hätten zudem den Abschluss von Pachtverträgen mit EnBW abgelehnt. Die Fraktionen im Beckinger Gemeinderat hatten in einer ausführlichen gemeinsamen Erklärung die Gründe für diese ablehnende Haltung erläutert. "Diese Erklärung verdeutlicht die grundsätzlichen Probleme des Projektes: Mensch, Natur und Naherholung wurde nicht der Stellenwert eingeräumt, der ihnen gebührt", heißt es von der Interessengemeinschaft.

Dass EnBW im Zusammenhang mit der Ratssitzung in Beckingen angekündigt hatte, die Planungen so zu überarbeiten, dass die am Litermont geplanten Windräder nun kleiner ausfallen, ist aus Sicht der BI nur eine taktische Finte.

So habe der EnBW-Projektleiter Christian Sträßer bei verschiedenen Anlässen öffentlich erklärt, dass die ursprünglich geplante Höhe von rund 230 Metern erforderlich sei, um den Windpark in dem als Schwachwindgebiet bezeichneten Areal rund um den Litermont wirtschaftlich betreiben zu können.

Dass der Betreiber nun auf einmal von der ursprünglichen Höhe abrücke, sei nicht glaubwürdig, findet die BI: "Bis vor wenigen Tagen waren für die EnBW Windkraftanlagen unter 230 Metern Gesamthöhe an unseren windschwachen Standorten nicht effizient." Aus Sicht der Interessengemeinschaft "stellt sich nun ernsthaft die Frage, ob es hier für die EnBW noch um alternative Energiegewinnung mit Windkraftanlagen geht, oder um CO-Zertifikate für die EnBW, oder darum, regional mit einem der größten Windparks seine Marktpräsenz zu zeigen? Oder ist der Windpark nur ein Flickstück auf dem Deckmantel, der die EnBW-Beteiligung an dem Atomkraftwerk Cattenom vor unserer Haustür kaschieren soll?" Die Interessengemeinschaft unterstreicht in ihrer Erklärung erneut, welche Forderungen sie hinsichtlich eines möglichen Windparks am Litermont erhebt. Sie fordert die Einhaltung der in Bayern gültigen 10H-Regelung. "Das bedeutet: Der Abstand zwischen Anlage zu den nächsten Häusern muss mindestens das Zehnfache der Gesamthöhe der Windkraftanlage betragen!" Im Falle der aktuellen Pläne für den Windpark sei es so, dass zwei Windräder einen Abstand von 830 Metern zur Wohnbebauung ausweisen. "In Bayern dürfte damit die maximal zulässige Gesamthöhe 83 Meter und nicht wie bei uns 230 Meter betragen", stellt die BI klar.

Weiter fordert die Interessengemeinschaft, dass keine Windkraftanlagen an Standorten errichtet werden dürfen, für die sensible Waldgebiete gerodet werden müssten. Außerdem dürfe die Schallbelastung durch den Betrieb der Anlagen in Wohngebieten den Wert von 35 Dezibel nicht überschreiten. Die Nutzungsvereinbarungen mit dem Windpark-Betreiber müssten so ausgestaltet sein, dass es kein wirtschaftliches Risiko für eine Gemeinde oder Privatgrundbesitzer gebe, die Flächen für eine Anlage zur Verfügung stellen. Auch dürfe es keine übermäßige Verkehrsbelastung einer Gemeinde durch Schwer- und Spezialtransporte geben. Und: Wer immer einen Windpark in der Region plane, solle seine Planungen offen und nachvollziehbar der Öffentlichkeit vorstellen: "Die offene und wahrheitsgemäße Information der Bürger durch die Projektbeteiligten sollte bei einem Vorhaben, das so viele Bürger und deren Lebensumfeld betrifft, selbstverständlich sein."

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Stichwort Der Windpark Primsbogen umfasst nach ursprünglicher Planung acht Windkraft-Anlagen vom Typ Nordex N-131 mit einer Nennleistung von jeweils 3300 Kilowatt. Die Windräder sollen eine Nabenhöhe von 164 Metern und einen Rotordurchmesser von 131 Metern haben. Ihre Gesamthöhe läge demnach bei rund 235 Metern. Die Baukosten werden auf 3,5 Millionen Euro je Windrad beziffert. Die acht Anlagen verteilen sich auf drei Flächen in Vorranggebieten der Gemeinden Schmelz (drei Windräder ), Nalbach (ebenfalls drei Windräder ) und Beckingen (zwei Windräder ). Die beiden Anlagen auf Beckinger Areal waren auf Waldstandorten in der Nähe von Düppenweiler geplant. Diese Standorte befinden sich im Eigentum der Gemeinde Beckingen, die einen Pachtvertrag mit dem Windpark-Betreiber abschließen wollte und im Gegenzug jährliche Pachtzahlungen von diesem erhalten sollte. Allerdings hat sich der Gemeinderat von Beckingen am 11. Juli mit großer Mehrheit gegen die Realisierung des Windparks in der genannten Form und auch gegen den Abschluss eines Pachtvertrages ausgesprochen. Gleiches hatte wenige Tage zuvor der Gemeinderat von Nalbach entschieden. Wenn EnBW nun auf den Flächen am Litermont noch Windräder bauen möchte, so kann dies nur auf Flächen in Privateigentum geschehen, deren Besitzer bereit wären, diese an den Betreiber zu verpachten. Lediglich in der Gemeinde Schmelz hatte der Gemeinderat dem Vorhaben in der vorgesehenen Form zugestimmt. Hier möchte EnBW nach Angaben des Beckinger Bürgermeisters Seger auch wie geplant drei Räder mit Gesamthöhe von 235 Metern bauen. cbe

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