Alles Käse

Silwingen · Ihr erster Käseversuch glich einem Flummi. Inzwischen stellt Marie Theres Jungmann auf ihrem Hof würzigen Schafskäse her – als einzige Käserei im Saarland. Für die SZ öffnet sie die Türen ihrer Milchküche und zeigt, wie sie ihren Käse mit Kräutern und Knoblauch macht.

 Neugierig lugt eine von Jungmanns Ziegen über den Zaun. Von Frühjahr bis Herbst werden sie zweimal täglich gemolken.Foto: rup

Neugierig lugt eine von Jungmanns Ziegen über den Zaun. Von Frühjahr bis Herbst werden sie zweimal täglich gemolken.Foto: rup

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 Flink wendet Marie Theres Jungmann in der Käserei auf ihrem Hof in Silwingen die frischen Ziegenkäse. Foto: rup

Flink wendet Marie Theres Jungmann in der Käserei auf ihrem Hof in Silwingen die frischen Ziegenkäse. Foto: rup

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"Kikerikiiii!", schmettert ein Hahn durch die Morgenluft. Als ob er sie herbeigekräht hätte, biegt eine Frau um die Ecke ihres niedrigen Bauernhauses: eins fünfzig groß, kurze Haare und Brille. Resolut streckt sie den Unterarm statt der Hand zur Begrüßung aus: "Komme gleich, bin noch beim Melken." Und schon verschwindet sie wieder im Ziegenstall.

Der Ärztin Marie Theres Jungmann (61) gehört "Maries Ziegen- und Schafhof" in Silwingen. Dort lebt sie mit vier Kindern, zwei Hunden, zwei Eseln, 50 Hühnern, 30 Gänsen, 40 Puten, aber vor allem: 30 Milchziegen und 30 Milchschafen. Aus der Milch ihrer deutschen bunten Edelziegen, der ostfriesischen Milchschafe und der Lacaune-Schafe macht sie Joghurt und verschiedene Käsesorten: Frischkäse - entweder pur, mit Knoblauch oder Kräutern - Weichkäse, festen Hofkäse, Feta-artigen Käse und Käse zum Überbacken. Und damit ist sie im Saarland etwas Besonderes.

"Keiner im Saarland macht Schafskäse - außer mir", sagt Jungmann. "Und bei mir schmeckt man die Liebe, mit der ich ihn mache." Der Bio-Hof besteht seit 1998, im Jahr 1999 verkaufte sie den ersten Ziegenfrischkäse auf dem Bauernmarkt in Merzig. Zum Verkauf ermutigt haben sie Freunde. "Dabei hätte ich meinen ersten Käseversuch den Hühnern als Flummi hinwerfen können", schmunzelt Jungmann. Heute sei sie seit viertel vor vier Uhr morgens am Schaffen. Jeden zweiten Tag werde "gekäst", wie Jungmann erklärt. Zuerst werden die Tiere gefüttert und gemolken - zu Radiomusik im Stall. Mit der Milch geht's in die helle Käserei, in der es nach Molke riecht und die Luft dampfig-warm ist, sodass die Fenster mit Blick auf Hofladen und Wohnhaus beschlagen. Dort pasteurisiert Jungmann die Milch, damit schädliche Keime abgetötet werden. Für den heute geplanten Frischkäse bei 72 Grad. Danach versetzt sie die Milch mit Käsekulturen. Eine Stunde warten, dann kommt Lab dazu, ein Ferment aus dem Magen von Ziege und Schaf. Es sorgt dafür, dass die Milch gerinnt.

Jetzt nimmt Jungmann in weißer Haube, Gummischürze und -stiefeln die so genannte Käseharfe von der Wand: ein großes flaches Sieb mit einem Griff, das einem Backrost ähnelt. Damit rührt sie durch den kleineren der beiden Kessel, um den Bruch in der auf 30 Grad abgekühlten Ziegenmilch zu prüfen. Als Bruch wird der Teil bezeichnet, der sich von der flüssigen Molke getrennt hat. "Je nachdem, wie hoch die Temperatur der Masse ist, wird der Bruch anders", erklärt Jungmann. "Ebenso spielt eine Rolle, wie viel Lab ich dazugebe." Mit einer Schöpfkelle holt sie Molke und Bruchstücke aus dem Kessel und gießt sie in runde Plastikförmchen. Sie sind durchbrochen und stehen auf einer Horde, die ein Gitter als Boden hat. So kann die Molke abtropfen. Zurück in den Formen bleibt der Bruch, der sich cremig-weich anfühlt. "Käse zu schöpfen ist für mich sehr beruhigend", sagt Jungmann. Immer wieder schöpft sie nach, bis die Förmchen bis zum Rand mit heller Käsemasse gefüllt sind. "Vorsicht, Füße weg!" Den Rest der Molke aus dem Kessel kippt sie mit Schwung in den Abfluss in der Mitte des Raumes.

Pro Tag melkt Jungmann 40 Liter Ziegen- und 30 Liter Schafsmilch. Zehn Liter Kuhmilch ergeben ein Kilo Käse, zehn Liter Ziegenmilch anderthalb Kilo und zehn Liter Schafsmilch drei Kilo, erzählt Jungmann, während sie den zweiten Kessel mit Schafsmilch in Angriff nimmt. Förmchen für Förmchen reiht sich der Schafsfrischkäse auf. Danach spült Jungmann Eimer und Schöpfkelle ab, scheuert die Kessel und spritzt den Boden. "Käse machen heißt vor allem: viel spülen", schmunzelt sie.

Bereits seit einem Familienurlaub, als sie 17 Jahre alt war, hat Jungmann vom Leben auf dem Land geträumt. "Wir waren auf einem Hof in Penz, zwischen Meran und Bozen", erzählt Jungmann und beginnt, die abgetropften Ziegenkäse zu wenden - schwupps, kippt sie eine Form um und ein fester, runder Käse rutscht auf ihre Handfläche. "Die Bäuerin dort hatte Kühe. Sie war sehr tolerant und strahlte eine große Ruhe aus." Zu ihr passten Ziegen und Schafe aber besser, und das nicht nur, weil sie kleiner seien als Kühe, sagt Jungmann augenzwinkernd - Schafe seien sehr gelassen, Ziegen dagegen etwas zickig und sehr neugierig.

Noch ist der frische Käse nicht ganz fertig. Ein paar Stunden muss er ruhen, abends wird er für eine Stunde in ein Salzbad gegeben. Zum Schluss würzt Jungmann mit Knoblauch oder Kräutern. Am nächsten Tag ist der Frischkäse verkaufsbereit. Jungmann bietet ihn auf verschiedenen Märkten in Merzig, Saarbrücken und Saarlouis und in ihrem Hofladen an. Sie arbeitet aber nicht nur auf dem Hof oder verkauft Käse sowie andere ihrer Produkte wie Salami, Pâtés oder Kräuteröle auf Märkten und im Laden. Einen Tag pro Woche hat Jungmann auch Sprechstunde als Ärztin.

Gern wäre Jungmann eine komplette Selbstversorgerin, was Lebensmittel angeht. Aber: "So viel Gemüse habe ich nicht, dafür fehlt mir durch das Melken morgens und abends die Zeit. Auch wenn mir meine Kinder auf dem Hof helfen. Und mein Brot kaufe ich beim Bäcker." Jungmann lächelt, dann streckt sie mit der gleichen resoluten Bewegung wie zur Begrüßung die Hand aus, um sich zu verabschieden. Der Käse hat die nächsten Stunden Zeit zum Ruhen - auf Jungmann warten die nächste Arbeiten auf ihrem Hof.Seit Februar ist Marie Theres Jungmann mit ihren selbst produzierten Lebensmitteln Mitglied bei der regionalen Initiative "Ebbes von hei!". Die Initiative hat eine Dachmarke gleichen Namens ins Leben gerufen (die SZ berichtete), um verstärkt Produkte aus der Saar-Hunsrück-Region in hiesigen Restaurants, auf Veranstaltungen und in Einkaufsläden anzubieten. Jungmann erhofft sich als Mitglied mehr Anschluss an Lokale, die Produkte ihres Bio-Hofs ordern und auf die Speisekarte setzen. "Das Seehotel-Restaurant in Losheim hat gleich Käse bei mir bestellt", berichtet sie. Bewusste Ernährung ist für die Ärztin sehr wichtig. Jungmann rät: "Man sollte darauf achten, sich ohne Massentierhaltung zu ernähren und lieber mehr regionale Lebensmittel zu essen, am besten Bio-Produkte."

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