„Schwere Operation ohne Narkose“

Saarbrücken · Der Saartalk ist eine Gesprächsreihe von SR und SZ. Diesmal stellten sich Dagmar Schlingmann, Generalintendantin des Saarländischen Staatstheaters, und Professor Volker Linneweber, Präsident der Universität des Saarlandes, den Fragen der Chefredakteure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ). SZ-Redakteurin Nora Ernst hat das Gespräch in Auszügen dokumentiert.

 Dagmar Schlingmann, Generalintendantin des Saarländischen Staatstheaters, und Volker Linneweber, Präsident der Universität des Saarlandes, im Gespräch mit SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst.

Dagmar Schlingmann, Generalintendantin des Saarländischen Staatstheaters, und Volker Linneweber, Präsident der Universität des Saarlandes, im Gespräch mit SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst.

Foto: Oliver Dietze

Herbst : Herr Linneweber, im Februar nächsten Jahres werden Sie 66 und gehen in den Ruhestand. Wie leicht oder schwer fällt Ihnen das?

Linneweber: Das hängt von meiner Tagesform ab. Manchmal stehe ich sehr schwer davor. Aber es gibt auch Tage, an denen ich sage, ach, demnächst mal keinen Schlips umbinden, mal ein bisschen ausschlafen. (…) Der Vorteil an so einer Laufbahn ist aber, dass man doch in dem Bereich bleibt. Ich gehe schon davon aus, dass ich den ein oder anderen Rat geben kann und an der ein oder anderen Stelle in Hochschulen reinschauen werde.

Klein: Frau Schlingmann, bei Ihnen kommt der Abschied gleich mit einem Neuanfang. Wie schwer ist das eigentlich?

Schlingmann: Es ist schwer. Es fällt mir gar nicht leicht, weil ich jetzt zehn Jahre hier bin. Das ist für einen Intendanten eine relativ lange Zeit. (…)

Herbst : Der Etat in Braunschweig ist ein paar Millionen höher als hier. Sind Sie dem Lockruf des Geldes erlegen?

Schlingmann: Ganz ehrlich: Eigentlich nicht. Ich habe mich für Braunschweig entschieden, weil ich der Meinung war, dass man tatsächlich gehen muss, wenn es am schönsten ist. (…) Ich glaube, man muss irgendwann die Zelte abbrechen, um sich wieder neu zu positionieren, zu hinterfragen, diese Energie des Neuanfangs wieder zu haben. (…) Es ist auch die Nähe zu Berlin, die mich gereizt hat, weil wir jetzt einfach mal in die Mitte von Deutschland kommen und da einen regen Austausch haben mit Hannover, Berlin, auch mit Hamburg. (…) Hier hat man eine sehr exklusive Situation, man wird wahnsinnig wahrgenommen in dieser Landeshauptstadt als einziges Theater im Saarland. Das ist sehr schön, das werde ich auch vermissen. (…)

Herbst : (…) Wie fällt Ihre Bilanz aus über Ihre Zeit hier in Saarbrücken?

Schlingmann: Ich bin schon stolz, weil wir doch, glaube ich, vieles richtig gemacht haben. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir das Theater insgesamt sehr stark geöffnet haben: Wir haben große Partizipationsprojekte gemacht. Wir haben den ganzen Bereich Projektarbeit mit Jugendlichen oder Laien eingeführt. Das gab es ja gar nicht. Ich bin sehr stolz auf das Gelingen der Außer-Haus-Spielzeit, als wir die Technik saniert haben. (…) Ich denke, ich habe viel gelernt, auch was Management betrifft. Das ist mir nicht in die Wiege gelegt, ich bin ja Regisseurin. (…) Und sicher, da hätte ich an der ein oder anderen Stelle Sachen besser machen können, aber das muss man lernen. (…)

Klein: Wie nehmen Sie die Diskussionen im Spardruck wahr, wo der eine Bereich gegen den anderen ausgespielt wird?

Linneweber: (…) Im Grunde genommen sind sowohl Investitionen in Hochschulen als auch in die Kunst, in das Theater tatsächlich als solche, nämlich als Investitionen und nicht als Ausgaben zu klassifizieren. Und das ist das große Problem, das wir eigentlich bundesweit haben, dass wir es immer noch nicht verstanden haben, dass wir in unsere Zukunft investieren, indem wir Standorten Qualität geben - kulturelle, intellektuelle Qualität - und indem wir in Lehre und Forschung eben auch Präsenz zeigen. Noch haben wir den Anschluss nicht verpasst. Aber wenn ich mir anschaue, was in anderen Ländern auf dieser Welt in Bildung und Forschung investiert wird, dann müssen wir gehörig drauflegen.

Herbst : Ist durch die Spardiskussionen (...) auch Imageschaden für die Uni entstanden?

Linneweber: Ich denke schon, vor allen Dingen aber ein innerer Schaden, der aber - da bin ich überzeugt - heilen wird. Wir haben ohne Narkose eine schwere Operation über uns ergehen lassen müssen, an vielen Teilen des Systems. (…) Wir haben innen immer noch das Gefühl, wir haben jetzt eine furchtbare Phase hinter uns. Ich glaube, das wird von außen so arg gar nicht wahrgenommen. Aber die objektiven Zahlen, etwa dass wir im Vergleich zum Umfeld in diesem Wintersemester keinen Rückgang der Studienanfängerzahlen haben, geben mir auch so ein bisschen Beruhigung, wenn es dann in drei Monaten wohl den Wechsel geben wird, dass es nicht ganz verkehrt war, was wir an Veränderungen geplant und umgesetzt haben. Aber wir sind noch weit entfernt vom Endergebnis. (…)

"Das Saarländische Staatstheater ist einfach ein tolles Theater"


Zum Abschluss des Saartalks gilt es traditionell für die Gäste, vorgegebene Sätze schnell und möglichst spontan zu ergänzen.

<br /> Herbst : Kultur und Wissenschaft verbindet…

Schlingmann: …das Hinterfragen.

Klein: Uni und Theater haben gemeinsam…

Linneweber: …Dramaturgie, Akteure, Dramen, aber auch Lustspiele.

Herbst : Am Saarland vermissen werde ich besonders…

Schlingmann: …die Herzlichkeit und Offenheit der Menschen.

Klein: Die größte Stärke der Universität des Saarlandes ist…

Linneweber: …der Standort und die Nähe zu allen, die an diesem Standort Wissenschaft betreiben.

Herbst : Das Saarländische Staatstheater verdient noch mehr Aufmerksamkeit, weil…

Schlingmann: …es das Herz von Europa ist und einfach ein tolles Theater .

Klein: Nach dem Ausscheiden aus dem Amt werde ich vor allem…

Linneweber: …meine Tochter in Australien häufig besuchen.

Herbst : An Volker Linneweber schätze ich besonders, dass…

Schlingmann: …er mein Freund ist und sehr oft ins Theater geht.

Klein: An Dagmar Schlingmann schätze ich besonders, dass…

Linneweber: …sie eine unglaublich kompetente und warme Art hat, mir nach Premieren zu sagen, wie ich das Stück, das ich gerade gesehen habe, eigentlich hätte interpretieren müssen.

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