Handgestrickte Muntermacher

Saarbrücken. Können Fahrradständer frieren?, fragt man sich vor dem Käseladen Ecke Johannis-/Cecilienstraße im Nauwieserviertel. Denn genau dort hat jemand einer der metallenen Abstellanlagen eine grüne Woll-Ummantelung gehäkelt. Die hat an den Enden sogar rote Füße. Auf einem Fahrradständer auf der gegenüberliegenden Straßenecke sitzen zwei Spatzen

Saarbrücken. Können Fahrradständer frieren?, fragt man sich vor dem Käseladen Ecke Johannis-/Cecilienstraße im Nauwieserviertel. Denn genau dort hat jemand einer der metallenen Abstellanlagen eine grüne Woll-Ummantelung gehäkelt. Die hat an den Enden sogar rote Füße. Auf einem Fahrradständer auf der gegenüberliegenden Straßenecke sitzen zwei Spatzen. Auch diese putzigen Kerlchen sind aus flauschiger Wolle. Wer macht so was und warum?

Nennen wir sie einfach "Strickbombe", so wie auch ihr Internetblog heißt. Ihren richtigen Namen will die junge Engländerin nicht gern preisgeben, "um das mit meinen anderen Jobs nicht zu vermischen". Seit einem Jahr lebt sie im Saarland, arbeitet als Übersetzerin und Yoga-Lehrerin. Gleich in der ihrer ersten Saarbrücker Silvesternacht hat sie beschlossen, ab sofort nicht mehr nur Schals und Pullis zu stricken, sondern mit Stricksachen den städtischen Raum aufzumuntern.

"Urbanes Stricken", knit graffiti (Strickgraffiti) oder auch "yarn bombing" (in etwa: mit Garn bomben) heißt diese längst weltweite Bewegung, die mit der Strickbomberin nun auch im Saarland vertreten ist. "Ich hatte Lust, das zu machen, um in der Stadt herum zu kommen, eine Verbindung zur Stadt aufzubauen", sagt die Strickbombe zu ihrer Motivation.

Einen realen Strickkreis hat sie in Saarbrücken auch gegründet, um Leute kennen zu lernen. Über ravelry.com, eine Art Facebook für Strickfans, habe sie einfach alle Saarländischen User angemailt, zu rund acht treffe man sich nun monatlich zum Handarbeiten reihum in Cafés. Im Internet findet sie auch die etwas komplizierteren Anleitungen für ihre Strickbomben-Arbeiten. Einmal im Monat bringe sie neue Wollsachen im öffentlichen Raum an. Ihre ersten Versuche waren ein Strickbomben-Schriftzug für den Fahrradständer und zwei biene-maja-artige Pulswärmer für Straßenschilder. "Die musste ich vor Ort zusammen nähen und hatte ein wenig Herzklopfen, dass ich damit auffalle, auch wenn es nicht verboten ist", sagt sie. Doch nichts passierte. Also machte sie weiter. Zum Valentinstag bestrickte sie Schilderpfähle vorm Caritas-Café und der Polizei mit blau-gelben Herzbanderolen. Hängte einen Schriftzug "Lesen" vor die AWO-Buchhandlung (das einzige Stück, das gestohlen wurde) und kam auf die Idee mit den kleinen Spatzen. Meist strickt und häkelt sie fürs Nauwieserviertel, weil das am inspirierendsten sei, doch auch im Urlaub, wie ihr Blog belegt, bleibt die Strickbombe nicht inaktiv.

In den USA hätten Gruppen schon ganze Busse bestrickt, in Dänemark Panzer in rosa Strickquilts gehüllt, als Protest gegen die Beteiligung am Irakkrieg, erzählt die Strickbombe. Doch sie fängt als Einzelakteurin lieber erst mal klein an, und ohne politische Botschaft. "Ich mache das, damit es etwas lustiger wird" sagt die Engländerin. "Denn ich finde Deutschland ziemlich ernst."

Für das Frühjahr hat sich die Strickbombe jetzt etwas Größeres vorgenommen: "Ich will mein altes Fahrrad rundum bestricken." Wer weiß, im fahrradmuffligen Saarbrücken könnte das schon fast als eine politische Aussage gelten. "Ich hatte Lust das zu machen, um in der Stadt herum zu kommen, eine Verbindung zur Stadt aufzubauen"

Die "Strickbombe"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort