Püttlinger Arzt stellt fest: Saarländer sind häufiger krank als andere Deutsche

Püttlingen · Viele Krankheiten kommen im Saarland häufiger vor als anderswo. Sind die Ärzte hier eifriger im Diagnostizieren? Nein, wir sind wirklich kränker, findet ein Püttlinger Mediziner, der sich die Gesundheit der Saarländer genau angesehen hat.

Unabhängig von der hohen Altersstruktur sind die Saarländer im Schnitt kränker als die übrigen Westdeutschen. Diesen Schluss zieht der Püttlinger Allgemeinmediziner Dr. Eckart Rolshoven, der über Jahre den Gesundheitszustand der Saarländer analysiert hat. Ursachen für die höhere Anfälligkeit der Saarländer seien deren oft schwierigere wirtschaftliche und soziale Lage.

Ostdeutsche Bundesländer hätten bei der Häufigkeit vieler Krankheiten die höchsten Werte. "Aber unter den westdeutschen Bundesländern ist das Saarland immer vorne mit dabei", sagte Rolshoven am Mittwoch im Püttlinger Krankenhaus, wo er Ergebnisse und Schlussfolgerungen seiner Arbeit präsentierte. Es geht dabei um Leiden wie beispielsweise Diabetes, Herz- oder Hirninfarkte oder auch Krebs.

Dass die Saarländer von ihren Ärzten einfach nur überversorgt würden, was die Ausgaben im Gesundheitsbereich künstlich nach oben treibe, schließt der Sanitätsrat, der auch Vorstandsmitglied der Ärztekammer des Saarlandes ist, weitgehend aus. Dagegen spreche die Zahl der Sterbefälle, an der sich schwerlich herumdiskutieren lässt: Auf 100 000 Einwohner habe es 2012 in der Region 1215 Todesfälle gegeben, 285 mehr als in Baden-Württemberg, dem statistisch gesündesten Bundesland. Allein mit dem durchschnittlich höheren Alter der Saarländer lasse sich dieser Unterschied nicht begründen, sagte Rolshoven, denn: Die Alterskomponente herausgerechnet, stünden auf saarländischer Seite noch immer über 120 Todesfälle mehr als in Baden-Württemberg. "Dafür muss es andere Gründe geben", sagte Rolshoven. Seine Schlussfolgerung: Die Saarländer sind im Schnitt tatsächlich kränker.

Mehr Kranke bedeuten aber auch höhere Kosten im Gesundheitsbereich. Deutschlandweit sind die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen in den vergangenen Jahren gestiegen. 2013 übernahmen sie Leistungen für knapp 183 Milliarden Euro. Dem Landesbereichsleiter der Barmer GEK, Michael Keck, zufolge stiegen dabei - zumindest bei seiner Kasse - die Ausgaben im Saarland stärker an als anderswo.

Allgemeinmediziner Rolshoven warnte aber vor einfachen Schlussfolgerungen: Sich wegen der hohen Ausgaben nun nur an den vermeintlich "Sparsameren" zu orientieren, lehnte er ab. "Wenn gesagt wird, wir müssen die Kosten von Baden-Württemberg hinbekommen, dann brauchen wir auch die Patienten von Baden-Württemberg", betonte der Arzt.

Ursache für die höhere Anfälligkeit der Saarländer ist Rolshoven zufolge der schlechtere sozioökonomische Status vieler: Das zur Verfügung stehende monatliche Einkommen etwa ist unterdurchschnittlich, die Arbeitslosenquote überdurchschnittlich. "Den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Sozialstruktur können Sie überall in der Welt feststellen", sagt Rolshoven. Das vom Strukturwandel gezeichnete Saarland bildet demnach keine Ausnahme.

Um die Situation zu verbessern, müsse daher direkt bei den Lebensverhältnissen angesetzt werden: Investitionen in Bildung und die Förderung von Aufstiegsmöglichkeiten "sind die wirksamste gesundheitliche Prävention", betonte Rolshoven. Eine Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland würde dann auch die Unterschiede beim Gesundheitszustand glätten.

Meinung:Angebot schafft Nachfrage

Von SZ-RedakteurLothar Warscheid

Dass im Saarland die Kosten für das Gesundheitswesen höher liegen als anderswo, ist nicht neu. Dass die soziale Struktur im Land die Ursache dafür sein soll, ist zumindest eine gewagte These. Vielmehr schafft sich das Angebot im Gesundheitsbereich auch seine Nachfrage. Im Saarland mit knapp einer Million Einwohner gibt es 24 Krankenhäuser. In den Niederlanden werden die rund 16,8 Millionen Einwohner in 99 Kliniken versorgt - Tendenz sinkend. Dass die Niederländer kränker sind als die Saarländer, ist nicht bekannt. Außerdem erreicht das Saarland mit der Versorgung durch Vertragsärzte und Psychotherapeuten eine bundesweite Spitzenstellung. Im Großraum Saarbrücken kommen weit mehr als 300 Ärzte auf 100 000 Einwohner, in den neuen Bundesländern sind es oft weniger als 100. Diese Zahlen darf man ehrlicherweise nicht ausblenden.

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