Nach Friedensabkommen hofft Püttlingens malische Partnerstadt auf Hilfe aus Deutschland

Püttlingen · Jahrelang hat Püttlingen seiner malischen Partnerstadt Ber finanziell unter die Arme gegriffen. Mit Ausbruch des Bürgerkriegs wurde die Hilfe ausgesetzt. Nach einem Friedensabkommen hofft man in Ber nun wieder auf Unterstützung.

Über 100 Tote, 15 000 Vertriebene, Schulen und Krankenstationen in der Region geschlossen. Es ist eine erschütternde Bilanz. "Wir sind müde", fasst Atoutal Ag Iltagadayi die Situation in der kleinen Stadt Ber in Mali zusammen. Über das "Europäische Städtebündnis" ist Ber auch eine Partnerkommune Püttlingens und wurde von hier etliche Jahre unterstützt. Doch die Hilfe ruht seit der Revolte 2012 (siehe Hintergrund). Seither hat man hier kaum etwas aus dem fernen Mali gehört.

Atoutal Ag Iltagadayi ist Krankenpfleger und einer der Krisenmanager in der acht Kilometer nördlich des Niger gelegenen Stadt mit 25 000 Einwohnern (einschließlich Umland, knapp 10 000 im eigentlichen Ber.) Als Angestellter des einzigen noch geöffneten Krankenhauses hat er einen Einblick in die Geschehnisse. Seit gut drei Jahren wird das nordafrikanische Land von Unruhen geplagt, regierungstreue Milizen liefern sich Gefechte mit teils islamistischen Rebellen.

Die Stadt Ber im Herzen des Landes, selbst eine Tuareg-Gemeinde, werde derzeit, ebenso wie viele andere Städte von Rebellen regiert, schildert Ag Iltagadayi. Im Mai und Juni hätten die Rebellen Friedensabkommen mit dem malischen Präsidenten Boubacar Keïta unterzeichnet. Nun verbessere sich die Situation schrittweise, so Ag Iltagadayi. Es gebe zwar noch vereinzelte Attacken und kleinere Diebstähle, im Wesentlichen sei es aber ruhig. Jetzt, im Oktober, wolle man die Schulen wieder öffnen. Außerdem sei für die Ende Oktober landesweiten Bürgermeisterwahlen Listen aufgestellt worden. Auch Hilfsgüter kämen an. Sehr gerne würde er Püttlingen einen Einblick in die aktuelle Situation geben.

Ag Iltagadayis Lagebeschreibung bestätigt auch Hamadou Abdoulaye Touré, Leiter der malischen Hilfsorganisation Nor.Dev, über die seit Jahren die Hilfsgelder aus Frankreich und Deutschland abgewickelt werden. Laut Touré kommen jeden Tag mindestens fünf Geländewagen mit Gütern aus dem nahen Timbuktu in die Stadt. Die Hilfe sei auch dringend nötig: für die Wiedereingliederung der Vertriebenen, die Rekonstruktion der Wasserleitungen, die Wiederaufnahme von Viehzucht und Ackerbau, die Erneuerung der Schulen und Krankenstationen. Touré teilt Ag Iltagadayis Einschätzungen zur Situation in der Stadt, auch er sieht die Lage im Hinblick auf die zurückgehenden Unruhen und die anstehenden Wahlen positiv.

Seit Ausbruch des Bürgerkrieges wird die Stadt nur noch vom Partnerschaftsausschuss aus der französischen Partnerstadt Saint-Michel-sur-Orge unterstützt, die bekanntlich auch Püttlingens Partnerstadt ist. Erst kürzlich schickte der von der Stadt unabhängige Partnerschaftsausschuss Gelder für Malaria-Medikamente an die Hilfsorganisation. Neben Soforthilfen wolle man bald auch die Entwicklungshilfe wieder leisten, so Alain Laforêt vom Partnerschaftsausschuss zur SZ.

Eingefroren sind dagegen sowohl Zahlungen aus Püttlingen als auch die direkten Hilfsgelder der französischer Partnerstadt. "Bisher waren wir nicht sicher, dass unser Geld auch vor Ort ankommt", begründet Irmgard Astier, Beigeordneter der Stadt Saint-Michel-sur-Orge, die Einstellung der Hilfen.

Ähnliches erfährt man auch aus dem Püttlinger Rathaus: "Wir haben keine Informationen, dass es in Mali vorwärts geht", sagte Stefan Waltner, bei der Stadt unter anderem zuständig für Partnerschaftsprojekte. Wenn in Ber wieder alles in geordneten Bahnen verlaufe, könne man sich aber durchaus vorstellen, über die Franzosen wieder Geld nach Mali zu überweisen, so Waltner weiter. 2500 bis 3000 Euro habe man in den vergangenen Jahren für Hilfe in Ber zurückgestellt. Sehr gerne wolle man nach Jahren auch wieder Vertreter aus der Stadt Ber und Saint-Michel-sur-Orge einladen, um sich über die neue Situation aus erster Hand zu informieren.

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HintergrundMali, einst reich an Kultur, wurde 1880 französische Kolonie. Nach der Unabhängigkeit 1960 (und davor) gab es im dünn besiedelten Norden viele Konflikte zwischen den hellerhäutigen Tuareg sowie anderen Nomaden, die Raubzüge begingen, und der sesshaften schwarzen Bevölkerung. Nach langer Einparteienherrschaft folgte 1991 ein Militärputsch, eine Verfassung und ein Mehrparteiensystem. Das Land galt 20 Jahre als befriedet, bis Januar 2012 Konflikte im Norden wieder eskalierten. Auch Islamisten griffen, erst mit den Tuareg, zu den Waffen, bis es zu Kämpfen zwischen den Rebellengruppen kam. Bei der Gegenoffensive malischer und französischer Truppen Anfang 2013 wurde ein Großteil des Nordens zurückerobert. red

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