Eine Krankheit, die nur die Armen trifft

Heusweiler · Erst zerfällt ein Teil des Knochens, dann kommt die meist tödliche Blutvergiftung. Doch Osteomyelitis, eine Krankheit bei Kindern in Entwicklungsländern, kann operativ geheilt werden – das macht zum Beispiel für zwei Wochen im Jahr Dr. Michael Weber aus Heusweiler im Kibogora Hospital in Ruanda. Jetzt gründet sich ein Unterstützerverein für seine Arbeit.

 Der Eingangsbereich zum Gelände des Kibogora-Hospitals in Ruanda. Zwei Wochen im Jahr operiert dort Dr. Michael Weber aus Heusweiler, Unfallchirurg in Saarlouis, zumeist junge Patienten mit schweren Knochenerkrankungen oder Brüchen. Fotos: Michael Weber

Der Eingangsbereich zum Gelände des Kibogora-Hospitals in Ruanda. Zwei Wochen im Jahr operiert dort Dr. Michael Weber aus Heusweiler, Unfallchirurg in Saarlouis, zumeist junge Patienten mit schweren Knochenerkrankungen oder Brüchen. Fotos: Michael Weber

 Bei der Visite (von links): Dr. Nathalian, Dr. Michael Weber, Dr. Erich Feltes und ein Pfleger des Kibogora-Hospitals in Ruanda.

Bei der Visite (von links): Dr. Nathalian, Dr. Michael Weber, Dr. Erich Feltes und ein Pfleger des Kibogora-Hospitals in Ruanda.

 Auch Daniel musste wegen eines schweren Falls von Osteomyelitis operiert werden, inzwischen läuft er ohne Krücken.

Auch Daniel musste wegen eines schweren Falls von Osteomyelitis operiert werden, inzwischen läuft er ohne Krücken.

 Die Häuser des Kibogora-Hospitals.

Die Häuser des Kibogora-Hospitals.

 Röntgenbild eines zerstörten Bein-Knochens.

Röntgenbild eines zerstörten Bein-Knochens.

Genau so sperrig wie ihr Name, so gefährlich kann die Krankheit werden: Die Osteomyelitis ist eine bakterielle Infektion des Knochens, die ohne Behandlung nicht ausheilen kann, den Knochen zerstört und in den meisten Fällen durch eine Blutvergiftung zum Tod führt. Doch wenn die Krankheit so gefährlich ist, warum ist sie dann in unseren Breiten kaum bekannt? - Weil es eine Krankheit armer Menschen ist - meist von Kindern zwischen zwei und 15 Jahren.

Während die wenigen Spielarten der Osteomyelitis, von denen man in Mitteleuropa überhaupt befallen werden kann, schnell erkannt und dann problemlos zu behandeln sind, haben Kinder in Entwicklungsländern oft keinen Zugang zur notwendigen medizinischen Versorgung, und vor allem haben sie, durch Mangelernährung, auch weniger Abwehrkräfte. Schlechte hygienische Bedingungen tun ihr übriges. Ist der Knochen erst zerstört - in den meisten Fällen sind Knochen im Bein betroffen - dann können nur noch aufwendige Operationen helfen.

Dr. Michael Weber aus Heusweiler ist seit 1997 Chef der Unfallchirurgie im Marienhaus-Klinikum Saarlouis-Dillingen. Einmal im Jahr reist er für zwei Wochen nach Ruanda, ins Kibogora-Krankenhaus am Kiwusee, um dort unentgeltlich junge Osteomyelitis-Patienten zu operieren. Manchmal, so schildert er, ist es nur ein vergleichsweise kleiner Eingriff, wenn die Krankheit noch nicht mehr als ein Abszess am Knochen ist. Doch manchmal bekommt man auch drastisch den Unterschied der Lebensbedingungen vor Augen geführt - Weber schildert, wie eine Mutter, "die irgendwie gehört hatte, dass da weiße Ärzte zum Helfen gekommen waren", ihre kleine Tochter ins Kibogora-Hospital brachte und ein Tuch vom Arm der Fünfjährigen nahm: Valentine hatte schon seit sechs Wochen einen offenen Armbruch gehabt, der Knochen schaute an der Innenseite des Unterarms heraus und war über mehrere Zentimeter abgestorben. Der Arm wurde operiert, der tote Knochenabschnitt durch ein Stück aus dem Wadenbein des Mädchens ersetzt - das Wadenbein ist weniger wichtig als andere Knochen. Heute ist Valentine wieder gesund. Auch das fehlende Stück Wadenbein ist nachgewachsen, bei Kindern sind die Chancen auf eine Knochenregeneration gut.

Der achtjährige Daniel kann ebenfalls wieder laufen, nachdem ihm ein durch die Krankheit zerfressenes Stück Schienbein durch einen Wadenbein-Abschnitt ersetzt wurde.

Solche Bilder wie von Valentine und Daniel waren es, die einen Freundeskreis von Dr. Weber auf den Gedanken brachte, einen Hilfsverein zu gründen. "Es war bei Michaels 60. Geburtstag - im Vorfeld hatte er darum gebeten, statt Geschenke lieber Geld für Operationen in Ruanda zu geben", erinnert sich der ehemalige Heusweiler Bürgermeister Rainer Ziebold.

Träger des Kibogora-Hospitals ist die Freie Methodisten-Kirche, die Leitung haben ruandische Ärzte. In einigen Bereichen ist das Krankenhaus gut eingerichtet - etwa auf der Frühgeborenen-Station. In anderen Bereichen sind die Methoden nach westlichem Standard antiquiert - so werden, wenn keine ausländischen Chirurgen vor Ort sind, Knochenbrüche mit Streckverbänden behandelt - eine Methode, die in Mitteleuropa seit Jahrzehnten verschwunden ist.

So besteht ein Ziel des Hilfsvereins, der am Donnerstag, 15. Oktober, in Heusweiler gegründet wird, auch darin, die Betreuung der Patienten in Kibogora auszubauen, weshalb das entsprechende Projekt unterstützt wird ("Projekt 11" des "Deutschen Gemeinschafts-Diakonieverbandes", DGD). Bisher ist der pensionierte US-amerikanisch Arzt Carl Albertson ein halbes Jahr vor Ort, Dr. Michael Weber zwei Wochen und ebenso Dr. Erich Feltes, Oberarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie der St.-Vincentius-Kliniken Karlsruhe.

Ein Nebeneffekt der Aufenthalte in Ruanda ist zudem die Weiterbildung einheimischer Ärzte - allerdings kommt in Ruanda auf 20 000 bis 50 000 Einwohner nur ein Arzt, wissen die deutschen Mediziner.

kibogora.org/the-hospital

Die Gründung des gemeinnützigen Vereins "Osteomyelitishilfe" ist am kommenden Donnerstag, 15. Oktober, 19 Uhr, im Restaurant Casa da Franco in Heusweiler (Trie-rer Straße 39). Dr. Michael Weber wird einen kleinen Vortrag halten. Einen designierten Vorstand gibt es bereits, doch seien weitere Aktive gerne im Vorstand willkommen. Den Jahresbeitrag halte man mit 18 Euro bewusst gering, um den Verein breit aufzustellen. Wer möchte, dürfe aber auch gerne einen höheren Beitrag zahlen.

Rainer Ziebold und Dr. Weber betonen zudem in Hinblick auf den schrecklichen Bürgerkrieg, der in den frühen 1990er Jahren in Ruanda tobte: Zwar sei die Lage inzwischen seit Jahren stabil und die Entwicklung positiv, doch sei man gegebenenfalls nicht an Ruanda gebunden und könne die Arbeit auch in anderen Entwicklungsländern fortsetzen.

Weitere Infos bei Willi Groß, Telefon (0 68 06) 66 44.

Osteomyelitis - genau genommen die "chronische hämatogene Osteomyelitis", ist eine bakterielle Infektion des Knochens, die ohne Behandlung nicht ausheilen kann, zur Zerstörung des betroffenen Knochens führt und schwere Behinderungen hinterlässt. "Unbehandelt sterben die meisten Patienten an einer Blutvergiftung. In Entwicklungsländern sind fast ausschließlich Kinder im Alter von zwei bis 15 Jahren betroffen", sagt Dr. Michael Weber. Bei uns praktisch unbekannt, tritt die Krankheit in Entwicklungsländern sehr häufig auf. Zur erfolgreichen Behandlung sind oft mehrere Operationen in aufeinander folgenden Jahren notwendig.

Ruanda, mit 12,5 Millionen Menschen dicht besiedelt, ist seit 1962 unabhängig (1884 bis 1916 deutsche Kolonie). Traurige Berühmtheit erlangte 1994 der Völkermord Angehöriger der Hutu-Mehrheit an der Tutsi-Minderheit (500 000 bis eine Million Tote). Die damalige Regierung wurde von Rebellen gestürzt, seit 2003 gibt es die neue Verfassung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort