Eine Maschine ersetzt seine Nieren

Püttlingen · Schon als Kind war Martin Müller zum ersten Mal auf eine Dialysemaschine angewiesen. Später stieß sein Körper zweimal Spenderorgane ab. Aber Müller lässt sich nicht entmutigen. Er macht Schicksalsgenossen Mut und wirbt für Organspenden.

 Martin Müller bei der fünfstündigen Blutwäsche in Püttlingen. Foto: Oliver Dietze

Martin Müller bei der fünfstündigen Blutwäsche in Püttlingen. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze
 Martin Müller zeigt die Kanüle, die er sich kurz darauf wie immer selbst in den Arm schieben wird. Foto: Oliver Dietze

Martin Müller zeigt die Kanüle, die er sich kurz darauf wie immer selbst in den Arm schieben wird. Foto: Oliver Dietze

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Martin Müller (42) hat sich Arbeit mitgebracht. Auf dem Tischchen seines Krankenbetts im Nieren- und Dialysezentrum Püttlingen liegt sein Laptop. Die kommenden fünf Stunden wird Müller im Bett ausharren, während die anderthalb Meter hohe Dialysemaschine sein Blut reinigt. "Du sagst Bescheid, wenn's losgehen kann", ruft Krankenschwester Christine Boesen (39) ins Zimmer und lächelt. "Mach ich. Muss mich noch wiegen", antwortet Müller.

Als er sieben Jahre alt war, versagten seine Nieren das erste Mal. "Ich hatte als Kind oft Angina. Mein Kinderarzt hat es versäumt, mir die Mandeln rausnehmen zu lassen. Irgendwann richtete sich mein Immunsystem gegen meine eigenen Organe. Meine Nieren versagten." An den 27. März 1979 kann er sich gut erinnern: "Da wurde ich das erste Mal - damals noch im Uniklinikum Heidelberg - an eine Dialysemaschine angeschlossen."

Seitdem ist die Krankheit sein ständiger Begleiter, sind Krankenhäuser sein zweites Zuhause. In den vergangenen 35 Jahren hat Müller sich mit "der Krankheit angefreundet. Das mag ungewöhnlichen klingen, aber mit der Maschine, der künstlichen Niere, kann ich leben. Ich genieße den Tag heute und denke nicht über morgen nach." Früher hat ihn seine Krankheit mehr belastet: "Ich musste zwei Klassen wiederholen. Hab' in elf Jahren meinen Hauptschulabschluss gemacht." Danach arbeitete er als Angestellter in der Öffentlichkeitsarbeit der "Deutschen Steinkohle AG". "Mit 24 wurde ich aber berentet. Ich hatte eine psychische Krise. Zwei Jahre, damals lebte ich noch in Eppelborn, verließ ich kaum das Haus." Doch Müller gab nicht auf, sondern zog nach Saarbrücken, und baute sich ein soziales Umfeld auf. Seit 2001 bietet er bundesweit Seminare, hält Vortrage vor Medizinern und Patienten und war zehn Jahre lang Vorstand im Verein "Niere Saar e.V.". Heute betreibt er seine eigene Seite, die Tipps zur Selbsthilfe gibt, "Mut machen soll" und kämpft für die Organspende. 1200-mal wurde der Organspendeausweis von seiner Seite www.spektrum-dialyse.de runtergeladen, sagt er stolz. Der 42-Jährige ist heute auf keiner Warteliste mehr. "Ich hab' 1980 und 1983 zweimal eine Spenderniere bekommen. Die erste Transplantation brachte mich fast zwei Jahre ins Krankenhaus." Mit der zweiten Niere lebte er sieben Jahre lang "gut, bis sie abgestoßen wurde". Seit 24 Jahren kommt er dreimal pro Woche ins Nieren- und Dialysezentrum Püttlingen.

Er kennt jeden, hat Ärzte und Pflegepersonal oft in den Ruhestand verabschiedet. Die Waage zeigt heute 56,5 Kilo. "Ein Kilo wird abgezogen wegen der Kleider. Bleiben noch 55,5. 1,5 Kilo Wasser haben sich gestaut. Die müssen jetzt raus." Bei Gesunden scheiden die Nieren etwa 1,4 Liter Urin pro Tag aus und reinigen den Körper von schädlichen Substanzen. "Mir hat man 1987 beide Nieren entfernt. Ich hab' keine Harnfunktion mehr. Das muss jetzt die Maschine übernehmen." Müller ist leichter und kleiner als der Durchschnittsmann. "Ohne meine Krankheit wäre ich 1,78 Meter groß geworden. Jetzt schaffe ich es auf knapp 1,60 Meter", sagt er.

Seine Stimme klingt hoch, fast kindlich. "Können Sie Blut sehen?", fragt er und krempelt den Ärmel hoch. "Da dehnt sich die Vene", erklärt er, "und da kommen jetzt die Schläuche rein." Dafür braucht er die Krankenschwester nicht. "Ich weiß am besten, wo meine Nerven liegen", sagt er und schiebt mit ruhiger Hand eine dicke Nadel in die Haut. Schwester Boese schließt den Schlauch an die Maschine. Das Blut bahnt sich den Weg. Dann setzt der 42-Jährige den zweiten Schlauch an. "Hier kommt das gereinigte Blut wieder in den Körper." Das Ganze dauert fünf Stunden. "Genug Zeit, um zu arbeiten", sagt Müller und greift zum Laptop. Er ruft: "Da vorn liegen die Organspendeausweise. Ausfüllen und in den Geldbeutel damit."

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