Jetzt holen Flüchtlinge ihre Familien nach

St Ingbert · Als längst nicht so entspannt, wie es aktuelle Meldungen vermuten lassen, beschreibt die Stabsstelle Integration die aktuellen Flüchtlingszahlen. Insbesondere der Familiennachzug führe dazu, dass unverändert weit über 700 Flüchtlinge, vor allem aus Syrien, in St. Ingbert leben. Zur Einschätzung der tatsächlichen Lage lohnt sich ein genauer Blick auf die vielen Statistiken.

 Das frühere Katasteramt in der Dr.-Wolfgang-Krämer-Straße ist als Flüchtlingsunterkunft bezugsfertig. Foto: Manfred Schetting

Das frühere Katasteramt in der Dr.-Wolfgang-Krämer-Straße ist als Flüchtlingsunterkunft bezugsfertig. Foto: Manfred Schetting

Foto: Manfred Schetting

. Björn Spengler kennt Schlagzeilen wie "Kaum noch neue Flüchtlinge im Saarland" oder "Ende des Flüchtlingszeltes absehbar". Und ihre Wirkung. Der stellvertretende Leiter der Stabsstelle Integration in St. Ingbert weiß, wie leicht aktuelle Meldungen den Schluss nahe legen, alles sei in Sachen Flüchtlinge längst entspannt.

Doch Zahlen und Statistiken haben nach seiner Einschätzung ihre Tücken, eine genaue Betrachtung lohne allemal. So vergleicht Spengler etwa die Zahl der im ersten Halbjahr 2015 und im gleichen Zeitraum dieses Jahres in St. Ingbert aufgenommenen Flüchtlinge . 2015 kamen in dieser Zeit 109, in diesem Jahr von Januar bis Juni 218 Personen. "Der Vergleich hat mich selbst überrascht." Ein wesentlicher Grund, dass weiterhin viele Flüchtlinge nach St. Ingbert kommen, ist nach Spenglers Angaben der Familiennachzug . Menschen, die in die Mittelstadt zugewiesen werden, und Familienmitglieder, die zu bereits in St. Ingbert lebenden Verwandten ziehen, hielten sich in den letzten Monaten fast die Waage. "Und auch wenn die Stabsstelle inzwischen bei vielen Flüchtlingen die Verwandtschaftsverhältnisse kennt, ergibt sich der Nachzug oft kurzfristig und überraschend", erläutert Spengler. Oft wohne der Verwandte in einer Männerunterkunft, brauche aber nun den Platz für eine ganze Familie. Auch deshalb seien Notunterkünfte gerade für solche Fälle weiter unverzichtbar.

Generell habe sich die Wohnraumsituation für Flüchtlinge in den vergangenen Monaten aber positiv entwickelt. Und das sei insbesondere jenen St. Ingbertern zu verdanken, die unverändert privaten Wohnraum zu Verfügung stellten, wie Spengler ausdrücklich unterstreicht. So konnten alleine zwischen April und Juni nochmals 161 Personen aus Erstaufnahmeeinrichtungen in 44 Privatwohnungen im St. Ingberter Stadtgebiet umziehen.

Die Entwicklung hatte natürlich auch Folgen für die Erstaufnahmeeinrichtungen. In der Schillerschule, im ehemaligen Gefängnis sowie in der Kaiserstraße 352 und 354 sind derzeit 184 statt wie nach dem Jahreswechsel bis zu 270 Personen untergebracht.

"Das ermöglicht den Bewohnern in diesen Unterkünften etwas mehr Privatsphäre", so Spengler. Für weitere Veränderung in den bestehenden Flüchtlingsunterkünften wird schon in wenigen Tagen das frühere Katasteramt sorgen. Dieses Gebäude ist seit Anfang Juni bezugsfertig und auch möbliert. Dass dort noch keine Flüchtlinge unterbracht seien, liegt nach Spenglers Angaben allein an einem technischen Problem bei der Brandemeldeanlage. "Die Stabsstelle wartet aber quasi stündlich darauf, dass die Technik funktioniert."

Neben all den Zahlen beschreibt der stellvertretende Leiter der Stabsstelle deren Erfahrungen und Beobachtungen zum Integrations-Klima in St. Ingbert als weiter erfreulich gut. Das sei nicht zuletzt auch dem anhaltenden Engagement von mindestens 180 ehrenamtlichen Integrationshelfern, den stark nachgefragten Sprachkursen der VHS, den Vereinen und verschiedenen Glaubensgemeinschaften zu verdanken.

Björn Spengler berichtet aber zugleich von einer neuen, einschneidenden Erfahrung. So war die Stabsstelle Integration jetzt erstmals mit einer Abschiebung konfrontiert. Vor gut acht Tagen wurde ein Syrer, dessen Asylantrag abgelehnt worden war, nachts von St. Ingbert aus nach Spanien abgeschoben, wo er zuvor bereits Asyl gesucht hatte.

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Hintergrund In St. Ingbert leben derzeit 768 Flüchtlinge . Gut 90 Prozent von ihnen stammen aus Syrien, jeweils um die 20 Personen aus Eritrea, Afghanistan und dem Irak. Mit 355 Personen sind laut Stabsstelle Integration die 18- bis 30 Jährigen die größte Gruppe unter den Flüchtlingen. 61 von ihnen sind im Kindergartenalter, 175 Kinder und Jugendliche zwischen sieben und 17 Jahren, gerade einmal zehn älter als 60. schet

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