Schaukampf zwischen Musik und Wort

Kirkel · Ganz ohne erhobenen Zeigefinger: Krisen-Kabarett von Holzhauser, Ruge und Marx nebst Friends war schlicht begeisternd.

Man nehme eine Hand voll hörenswerte Musikerinnen und Musiker, einen charmanten Zyniker mit scharfer Zunge, lasse alle zusammen eine bunte Mischung wunderschöner politischer und unpolitischer Lieder vortragen und mit Worten garnieren - und schon hat man "Bombenstimmung". So geschehen kürzlich im Bildungszentrum der Arbeitskammer in Kirkel. Dort hatten Jürgen Holzhauser, Hans Ruge und Reiner Marx zusammen mit Sigi Becker, Hannah Neumann, Leander Usner, Felix Holzhauser und Hannah Jeßberger vor ausverkauftem Haus einen mehr als bemerkenswerten Auftritt. Mit großem Knall geliefert wurde ein "buntes Krisenkabarett".

Was muss, kann oder darf man sich nun unter eben einem solchen vorstellen? Nun ja, da wäre erst man das Adjektiv "bunt". Dass Marx, Ruge und Holzhauser dem gerecht wurden, dafür sorgte nicht nur die Auswahl an Musik, sprich des "Was", von linker Protest-Lyrik bis zum Tracy-Chapman-Klassiker "Fast Car". Auch das "Wie" sorgte für hörbare Mehrfarbigkeit, was auch an der jungen Stimme von Hannah Neumann lag, die ein ums andere Mal und auch mal an der Geige für zusätzliche Farbe sorgte. Aber das alles wäre eigentlich nur üblich - wenn da nicht ein Reiner Marx wäre. Der hat im Programm des veritablen Trios nun so gar nicht die Aufgabe, Lieder zu singen oder sich an der Gitarre oder einem anderen Instrument zu versuchen.

Seine "Farbe" im Reigen von "bunt" ist das Wort - und mit dem kann Marx umgehen wie kaum ein anderer. Wo andere nur moderieren und sich von "das war, nun kommt" hangeln, zerpflückt er mit Ätze und genauso gewollt das Programm seiner Mitstreiter dermaßen lustvoll, dass man vor Vergnügen schreien möchte. Ruge und Holzhauser samt ihrer tonalen Mitstreiter auf der einen Seite und Marx als treffsicherer Wortmeister auf der anderen spielten sich dabei gekonnt die Bälle zu, und das schon vom ersten Akkord an. Der trug den Udo-Jürgens-Evergreen "Vielen Dank für die Blumen". Mit dieser Eröffnung lieferte die Abteilung "Musik" dem Dezernat "Wort" des Herrn Marx quasi einen perfekten Steilpass.

Eben der nahm den launigen "Tom und Jerry"-Soundtrack dankend an und verwandelte ihn in einen Abgesang zum Auftakt. "Leider ist diese zum Himmel stinkende Selbstbeweihräucherung nicht schon das wirkliche Ende dieses Programms - sondern offenbar eine Hommage von Alt-Linken an den Sozialromantiker Udo Jürgens. Blutdruck bei mir schon oben und es hat noch nicht richtig angefangen."

Ohne Zweifel, dass Konzept von Marx, Ruge und Holzhauser, Musik mit Anspruch in einen Schaukampf mit konterkarierendem Wort zu schicken, trug in Kirkel und trägt seit Jahren. Der süß-saure Mix ist anspruchsvoll, nie billig und auf Effekte aus - und hat, wie es sich für politisches und gesellschaftliches Kabarett gehört, zwischen Hören und Lachen auch Auf- und Erklärendes. Einen gar erhobenen Zeigefinger sucht man glücklicherweise allerdings vergebens. Dass munter verpackt auch Sätze aus Marx' Mund fallen wie "Es gibt kein richtiges Leben im falschen", wirkt dabei nur auf den ersten Moment pur witzig, wenn Marx zudem sein neue "Unternehmen" mit dem Firmennamen "Kill Doubt Limited", zu deutsch ungefähr "Gesellschaft für die Beseitigung von Zweifeln" vorstellt, dann kann man das schlicht lustig finden - oder sich ein paar Gedanken machen, mit Blick in den Spiegel unserer Zeit. Und da ist man dann schnell beim "Krisenkabarett", an solchen mangelt es ja derzeit wirklich nicht. Marx: "Ich werde Ihnen heute zeigen, wie Sie ihre Bedenken in den wirklich wichtigen Lebensbereichen ausblenden können."

Nicht nur zwischen Marx' ätzendem Blick auf Zeit-Ungeistiges lieferten Holzhauser, Ruge und ihre Band Nachdenkliches, so mit "My Name is Emmett Till" in der Version von Emmylou Harris, laut Marx übersetzbar mit "Emma Luise Haris", und auch Politisches - eben ein wirklich "buntes Krisenkabarett".

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