Der Ex-Banker als Stromableser

Kirkel · Detlev Kleiber war früher Devisenhändler an der Börse. Das Rentnerdasein schmeckt ihm nicht, deshalb bewirbt er sich für allerlei Aufgaben und ist sich für nichts zu schade. Der 63-Jährige wird aber meist aussortiert – selten mit einer guten Begründung.

 Detlev Kleiber war früher Devisenhändler, heute würde er auch in einem Getränkemarkt arbeiten – weil er gerne aktiv ist. Doch seine Arbeitskraft ist wenig gefragt. Foto: Becker&Bredel

Detlev Kleiber war früher Devisenhändler, heute würde er auch in einem Getränkemarkt arbeiten – weil er gerne aktiv ist. Doch seine Arbeitskraft ist wenig gefragt. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

In diesen Tagen wird überall an saarländischen Straßen der Verkehr gezählt. Unter den vielen Gelegenheitsjobbern, die sich da ein paar Euro verdienen, ist auch ein Ex-Devisenhändler aus der Frankfurter Banken- und Börsenwelt: Detlev Kleiber. Der 63-jährige Wahl-Kirkeler hat sein Berufsleben nicht als so auslaugend empfunden, dass er ein Rentnerdasein als Belohnung empfände. Er fühlt sich nur mit geregelter Arbeit rundum glücklich. "Wenn ein Tag nicht strukturiert ist, dann fehlt etwas", beschreibt er seine Einstellung. Wobei es dem gelernten Bankkaufmann auf sinnvolle Tätigkeiten ankommt. Er will nicht "irgendetwas" tun, nur damit er etwas zu tun hat oder weil er irgendwem "etwas zurückgeben" will, sondern ganz einfach Dinge erledigen, die sich aufdrängen, die getan werden müssen. "So wie etwas kommt, wird es von ihm gemacht", sagt Ehefrau Liane, die früher in führender Position für einen Kosmetikkonzern gearbeitet hat. Nur mit Arbeiten am Haus oder mit der geliebten Malerei sei er nicht ruhigzustellen.

So bewirbt sich Kleiber ständig für allerlei höhere und niedere Arbeiten, sei es auf Annoncen oder initiativ - und scheitert meist. Ausnahme war sein Engagement als Stromableser für Stadtwerke. Die einstellende Agentur hatte clever kombiniert, dass der perfekt englischsprachige Ex-Banker eine Idealbesetzung für die Wohngebiete von Amerikanern in der Westpfalz sein würde. Der Job war wegen des lausigen Lohnes dann aber doch keine gute Wahl. Kleiber muss ja nicht unbedingt schaffen, wenn aber doch, dann bitte für Mindestlohn!

Ob bei Sparkassen, Unternehmen, Kanzleien, Beratungsagenturen: Für den 63-Jährigen hat selten jemand Verwendung. "Aussortiert nach Geburtsdatum", nennt er es trocken. Detlev Kleiber schätzt immerhin, wenn man ihm das in einer Absage ehrlich mitteilt. Als unhöflich und stillos empfindet er es aber, wenn er abgespeist oder ignoriert wird. Warum bekommt er keine Antwort auf seine Bewerbung als Chauffeur eines Chefs?

Der Gipfel aus seiner Sicht: Der Getränkemarkt in der Nähe hatte per Aushang eine Hilfe gesucht. Kleiber bewarb sich - natürlich. In der Absage des Familienkonzerns hieß es, dass man ihm die "gewünschte Stelle nicht geben könne". Begründung: keine. "Ich habe den Job ja gar nicht ,gewünscht', sondern wollte ihn erledigen, weil die jemanden brauchen. Was ist das für ein Kerl, der solche Briefe unterschreibt? Geht man so mit Menschen um, die ernsthafte Bewerbungen schicken?", ärgert sich Kleiber. Allerdings nur kurz, denn Absagen machen ihn nicht mürbe, sondern eher neugierig und emsig. Eine Botschaft wäre ihm wichtig: "Ich will nicht schimpfen, aber die Personalverantwortlichen in den Firmen sollten sich mehr Mühe geben, uns Ältere zu entdecken, anstatt über angeblich fehlende Fachkräfte zu jammern."

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