„Der Krieg raubte mir die Jugend“

Altstadt · Schüler des Homburger Saarpfalz-Gymnasiums sprachen mit Max Eckl aus Altstadt über seine Kriegserlebnisse.

Es gibt Menschen, die viel Beeindruckendes erlebt haben, das nicht in Vergessenheit geraten sollte. Einer davon ist Max Eckl. Er wohnt in der Schillerstraße in Altstadt und war bereit, uns einen Einblick in seine Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs zu vermitteln. Wir besuchten ihn mit unserem Geschichtslehrer Eberhard Jung an einem Sonntagnachmittag zu Hause. Er erzählte uns viele Episoden aus seiner atemberaubenden Lebensgeschichte.

Am 15. Oktober 1923 wurde er in Passau geboren. Das war eine Krisenzeit infolge des Ersten Weltkrieges, geprägt von Unruhen, Hunger und Hochinflation. Im Alter von sieben Jahren zog seine Familie nach Mannheim um. Dort ging er zur Schule und begann danach eine Lehre als Kunstschmied. Am 1. April 1942 wurde er in die Hoeferkaserne des Homburger Stadtteils Erbach eingezogen. Hier erhielt er seine sechswöchige Soldatenausbildung und war sechs Monate als Waffenschmied tätig. In dieser Position ging es ihm vergleichsweise gut. Andere Soldaten wurden bereits nach wenigen Wochen an die Front geschickt, Eckl erst nach einer halbjährigen gründlichen Ausbildung. Sein erster Einsatzort im Krieg: Krimskaja in der Ukraine am schwarzen Meer. Der damals 18-Jährige brauchte für den beschwerlichen Weg dorthin sechs Wochen, weil viele Eisenbahnschienen bombardiert waren.

In der Ukraine geriet er in einen acht Monate dauernden zermürbenden Stellungskrieg, bei dem er bei der Artillerie eingesetzt war. Die Ukraine war ein ertragreiches Ressourcenland und deshalb für das Naziregime ein äußerst wichtiges Ziel.

Als Waffenschmied war Max Eckl für die Instandhaltung der Geschütze verantwortlich. Bei der grausamen Panzerschlacht von Kiew gegen die Rote Armee ließ er ein Geschütz zurückfahren, um es zu reparieren. Dabei entdeckte er eine geheime Beobachtungsstelle des NS-Regimes. Auch löste er versehentlich eine Brandbombe aus und wurde wegen dieser beiden Vorfälle dem Kriegsgericht wegen Sabotage vorgeführt. Er sollte nun zur Strafe nachts unter Lebensgefahr Minen verlegen. Mit Hilfe von Freunden gelang ihm jedoch die Flucht.

Am 19. Dezember 1943 wurde er durch eine Splittergranate der Russen schwer verwundet, was einen Aufenthalt in einem polnischen Lazarett nach sich zog. Dort herrschten katastrophale hygienische Zustände. Nach seiner Genesung kehrte er zu einem "Heimaturlaub" nach Mannheim zurück und wurde anschließend über Oslo und Bergen nach Haugesund (Norwegen) abkommandiert. Dort sollte er russische Kriegsgefangene bewachen. Diese verrichteten harte körperliche Arbeit; sie waren unter anderem im Bunkerbau eingesetzt. Am 15. Februar 1945 verließ Max Eckl Haugesund, um sich einer neuen Einheit in Russland anzuschließen. Doch dazu kam es nicht mehr; er wurde kurz darauf von den Amerikanern aufgegriffen und am 12. Mai 1945 in Prag den Russen ausgeliefert. Dort traf er auf einem Sammelplatz auf weitere 120 000 gefangene Soldaten, die auf russische Straflager verteilt wurden.

Eckl wurde nach Orel verfrachtet und musste dort in einem Kalkbergwerk arbeiten, Straßen bauen, Bäume fällen und verarbeiten, Häuser restaurieren und elektrische Leitungen legen. Als Kriegsgefangener musste er alle persönlichen Habseligkeiten abgeben und durfte erst 1946 mit Hilfe des Roten Kreuzes ein erstes Lebenszeichen an seine Familie absenden. Er litt in der Fremde qualvollen Hunger: "Es gab nie genug zu essen, noch nicht einmal für die Russen." Die Verpflegung bestand täglich aus Sauerkraut mit dicken Maden. Die Gefangenen tranken in ihrer Not oft verunreinigtes Flusswasser und starben anschließend an Ruhr.

Jeden Monat fielen Dutzende Soldaten dem grausamen Hungertod oder Krankheiten zum Opfer. Viele wurden gefoltert, damit sie den Russen Informationen lieferten. Max Eckl bettelte oft um Essen; die Hälfte jedoch musste er immer seinen russischen Bewachern abgeben. Insgesamt verliert er aber kein böses Wort über die Russen.

Er erinnert sich gern an eine Begegnung mit einer netten russischen Deutschlehrerin: "Obwohl ihr Mann russischer Offizier war, hat sie mir zu essen gegeben, wenn ich ihr Holz von unserer Baustelle brachte. Das hat mich sehr beeindruckt."

Eckl musste die sklavenähnlichen Zustände als Strafgefangener über vier Jahre ertragen, bevor das Lager endlich infolge einer Initiative von Bundeskanzler Konrad Adenauer geräumt wurde. Mit dem Zug konnte er am 6. Dezember 1949 wieder in seine Heimat Mannheim zurückkehren. Dort erkannten ihn seine Eltern zunächst nicht wieder. Er war schwer krank und sah entstellt aus mit aufgeschwollenem Körper und einem Wasserkopf. In einem Heidelberger Krankenhaus wurde er untersucht und dann von seinem Hausarzt mit Entwässerungsmedikamenten behandelt. Nachdem er wieder gesund war, heiratete er 1951 in Altstadt seine Frau Betty Drumm, mit der er drei Kinder hat.

Der Krieg hat bei ihm tiefe Spuren hinterlassen. Seine beiden Hände waren bei minus 42 Grad Celsius erfroren und wurden von einem russischen Zivilisten mit Schnee wiederbelebt. Er leidet heute noch unter Durchblutungsstörungen und zog sich ein langwieriges Magenleiden zu, ist bei seiner Gefangennahme nur knapp der tschechischen Lynchjustiz entronnen und hat sogar nach Kriegsende in Russland noch Massenerschießungen an jungen deutschen Soldaten miterlebt.

Man staunt, dass er nie seinen Humor verloren hat, obwohl er sich um seine besten Jahre betrogen fühlt: "Der Krieg raubte mir die Jugend." Hitler, die Nazi-Diktatur, profitgierige, verantwortungslose Politiker und Kriege verachtet er. Im hohen Alter hat er noch ein ausgezeichnetes Erinnerungsvermögen, er führt seinen Haushalt selbstständig zusammen mit seinem jüngsten Sohn, lebt bescheiden, ist vielseitig interessiert und pflegt das gesellige Leben im Ort.

Bei seinem handwerklichen Geschick macht ihm so schnell niemand etwas vor. Schon die Russen bezeichneten ihn deswegen als "Spezialisten", weil er für alle Probleme eine Lösung fand.

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