Experte der Homburger Uniklinik: "Wenn späterer Unterrichtsbeginn, dann für weiterführende Schulen"

Paulus: · Ein generell späterer Unterrichtsbeginn löse die Probleme nicht, findet Dr. Frank Paulus. Der Leitende Psychologe der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Homburger Uniklinikum sprach mit SZ-Redakteur Daniel Kirch darüber, ob der Unterricht besser erst um 9 Uhr beginnen sollte. Paulus ist Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut.

Kann man sagen, dass Kinder und Jugendliche um 9 Uhr leistungsfähiger sind als um 8 Uhr?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Die Leistungsfähigkeit hängt natürlich von der Menge und der Qualität des Schlafes ab. Es gibt da biologisch bedingte Unterschiede zwischen Kindern bis etwa elf Jahren und den Jugendlichen, die haben nämlich einen veränderten, einen verschobenen Bio-Rhythmus. Aber es gibt auch viele Umgebungsfaktoren, die ganz wichtig sind und Einfluss nehmen: späte Hausaufgaben am Abend, koffeinhaltige Getränke und vor allem Internet und Computerspiele. Das Bett ist zum Schlafen da, nicht für das Smartphone. Bewegung und Sport wirken dagegen positiv auf Schlaf und Leistungsfähigkeit. Und: Neben dem Schlaf können auch Sorgen und Kummer eine Rolle spielen bis hin zu unentdeckten psychischen Problemen und Störungen. Das ist also eine komplexe Sache mit der Leistungsfähigkeit am Morgen.

Gibt es, was den Bio-Rhythmus betrifft, einen Unterschied zwischen jüngeren und älteren Schülern?

Paulus: Ja, beim Übergang zum Jugendalter gibt es eine Verschiebung der Schlaf-Wach-Phase um etwa zwei Stunden nach hinten. Biologische Faktoren spielen hier eine Rolle. Insbesondere die Ausschüttung von Melatonin, ein Hormon im Gehirn, verändert sich in der Pubertät und damit verschiebt sich der Schlaf-Wach-Rhythmus. Die Schlafdauer verändert sich jedoch nicht - entgegen landläufiger Meinung: Jugendliche benötigen wie Kinder etwa neun Stunden Schlaf.

Wie ist Ihre Haltung zu der Frage, ob der Unterricht generell später beginnen sollte?

Paulus: Ein generell späterer Beginn ist zu pauschal und zu vereinfacht. Die Untersuchungen, die positive Effekte zeigen, sind überwiegend aus den USA und untersuchen vorwiegend Highschools - das entspricht Klassenstufe 9 bis 12. Zunächst sollte zwischen Kindern und Jugendlichen unterschieden werden. Wenn späterer Beginn, dann für Jugendliche, für weiterführende Schulen. Eine Verschiebung des Schulbeginns ist aber nur ein Knopf, an dem man drehen kann, es gibt viel mehr, was schon am Abend vor und beim Einschlafen getan werden kann, vom Schüler und von seinen Eltern, da ist auch Erziehungsverantwortung gefragt. Irgendwie ist das auch so ein Luxusproblem jetzt mit dem späteren Schulbeginn, was von den eigentlichen Problemen des Schulsystems ablenkt. Es stehen da wichtigere Themen zur Lösung an als die Frage, ob der Unterricht um 8 oder 8.30 Uhr beginnen sollte.

An welche Themen denken Sie da zum Beispiel?

Paulus: Wie kann die Inklusion von körperlich, geistig und seelisch beeinträchtigten Kindern in den Regelschulbetrieb gelingen? Welche Kompetenzen benötigen Lehrer, um optimal zu unterrichten, zu fördern und die Kinder für das Lernen zu gewinnen, so dass Lernen und Leistung Spaß macht? Wie lässt sich Schulverweigerung und Schulabbruch reduzieren? Wie kann eine gute und vertrauensvolle Atmosphäre unter den Schülern und zwischen Schülern und Lehrern geschaffen und erhalten werden? Das sind allesamt bedeutsamere Themen.

Zum Thema:

Tipps zum Ranzenpacken gibt die Knappschaft Saarland "Ein falsch getragener oder zu schwerer Schulranzen kann schnell zu gesundheitlichen Problemen und im schlimmsten Fall zu dauerhaften Haltungsschäden führen", warnt Mediziner Torsten Leonhard. Wichtig sei vor allem die richtige Verteilung der Last. "Leichte Sachen nach vorne im Ranzen, schwere möglichst nah an den Rücken", rät er. Außerdem soll dafür gesorgt werden, dass der Ranzen maximal 10 Prozent des Körpergewichts beträgt und das Kind nichts einpackt, was am Tag nicht benötigt wird. Die Schultergurte sollen immer straff angezogen werden, sodass der Ranzen eng am Rücken anliegt und die obere Kante des Schulranzens mit der Schulterhöhe eine Linie bildet. Zudem könne man die Möglichkeit in Erwägung ziehen, die Schulbücher in der Schule zu lagern. evb

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