Der Traum vom Sieg platzt kurz vor Mitternacht

Homburg · Acht Stunden lang kämpfte der Homburger Timo Bernhard mit seinem Team am Wochenende in Le Mans um den Sieg. Dann kam die Enttäuschung. Nach dem 13. Platz ist die Verteidigung des WM-Titels so gut wie unmöglich.

Um kurz nach elf in der Nacht schlägt die Zuversicht in Entsetzen um. Acht Stunden lang hatte Porsche-Pilot Timo Bernhard beim 24-Stunden-Klassiker in Le Mans um die Führung gekämpft, sich mehrfach mit den Konkurrenten von Toyota und Audi an der Spitze abgewechselt. Der Homburger war auf einem guten Weg zu seinem zweiten Sieg nach 2010. Doch dann platzte der Traum. Ganz plötzlich. Es ist 23.10 Uhr, als Bernhard den Porsche 919 in Führung liegend an Teamkollege Brendon Hartley übergibt. Alles scheint in Ordnung. Doch als er sich gerade mit seinem Ingenieur zur Datenanalyse zurückziehen will, kommt Hartley wieder an die Box. Nach nur einer Runde. Die Überwachungssysteme hatten Alarm geschlagen: Der Motor wird heiß.

Hektik bei den Mechanikern, Fassungslosigkeit bei den Fahrern. Von einer auf die andere Sekunde sind alle Sieghoffnungen dahin. Die Arbeit von Wochen und Monaten, der Kampf um jede Sekunde in den ersten acht Rennstunden - alles umsonst. Porsche-Projektleiter Fritz Enzinger schüttelt den Kopf: "Was für ein Pech für die Jungs. Alles lief rund, bis wir dieses Problem mit der Wassertemperatur bekamen."

Schnell haben die Ingenieure eine Vermutung: Die Wasserpumpe ist defekt. Ein Teil, das normal nie kaputtgeht. Entsprechend schlecht ist es zu wechseln. 80 Minuten dauert die Reparatur. Dann stellt sich nach einer Runde heraus: Nicht die eigentliche Pumpe war kaputt, sondern deren Antrieb. Noch mal muss das Auto in die Box. Noch mal Reparatur. Noch mal eine Stunde Zeitverlust.

Bernhard ist bitter enttäuscht. Nach einem Unfall von Teamkollege Bradley beim Saison-Auftakt in Silverstone und zwei Reifenschäden in Spa endet auch das dritte Rennen der Saison für den amtierenden Langstrecken-Weltmeister ernüchternd. "Unsere Crew ist in diesem Jahr arg gebeutelt. Ich hatte geglaubt, in Le Mans einen Neustart in die Saison hinlegen zu können. Wir waren gut vorbereitet und haben viel Zeit und Leidenschaft investiert. Und dann das", hadert Bernhard. "Aber damit müssen wir umgehen können."

Nahezu vom letzten Platz aus gehen Bernhard, Hartley und Teamkollege Mark Webber wieder ins Rennen . "Wir konnten nach der Reparatur mühelos das Tempo des Führungstrios mitgehen", sagt Bernhard. Frustbewältigung mit Vollgas. Insgesamt holen sie bis zum Renn-Ende sogar eine Runde auf den Sieger auf. Das zu wissen, tut einerseits gut, ist andererseits aber auch bitter, wenn nur Platz 13 herausspringt. Zumal Bernhard nun kaum noch Chancen auf die Verteidigung seines WM-Titels hat.

Wie der Homburger werden auch die dreimaligen Le-Mans-Sieger André Lotterer, Benoit Treluyer und Marcel Fässler (Audi ) von der Technik ausgebremst. Sie wirft ein Turbo-Schaden zurück. Und dennoch ist das alles nichts im Vergleich zu dem Drama, das sich in der allerletzten Runde abspielt. Bernhard erinnert sich: "Ich bog auf Start und Ziel ein und sah dort den führenden Toyota stehen." Erst traute der Homburger seinen Augen nicht. "Ich hab' extra noch in den Rückspiegel geschaut", sagt er. "Ein Rennen so zu verlieren, ist grausam." Drei Minuten vor Ende der 24 Stunden war der Motor kaputt gegangen. Ohne Vorwarnung. Ein Alptraum.

"Schon öfters grausam"

 Nummer eins steht: Der Porsche mit der Startnummer eins von Timo Bernhard parkt zum Nachtanken an der Box. In der Nacht aber musste am Auto auch viel geschraubt werden. Foto: Porsche

Nummer eins steht: Der Porsche mit der Startnummer eins von Timo Bernhard parkt zum Nachtanken an der Box. In der Nacht aber musste am Auto auch viel geschraubt werden. Foto: Porsche

Foto: Porsche

Es wäre im 18. Anlauf der erste Sieg für das in Köln beheimatete Toyota-Team gewesen. "Le Mans ist schon öfters grausam zu mir gewesen. Aber das heute war eine neue Dimension", stammelt Pilot Anthony Davidson. In der Tat ist es eine der bittersten Niederlagen in der Geschichte des Motorsports. Und Timo Bernhard erzählt: "Ich wollte im Parc Fermé mit Toyota-Mechanikern reden, sie trösten. Aber die bekamen kein Wort raus. So fertig waren die."

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