Homburger Arzt muss nach kuriosem Masern-Prozess Leibwächter engagieren

100 000 Euro hatte der Impfgegner Stefan Lanka vom Bodensee für denjenigen ausgelobt, der die Existenz des Masernvirus belegt. Der Homburger David Bardens schickte ihm daraufhin mehrere Studien und forderte das Geld. Als Lanka nicht zahlte, zog Bardens vor Gericht – mit Erfolg: Am 12. März sprach ihm das Landgericht Ravensburg die 100 000 Euro zu. Mit Bardens sprach SZ-Redakteur Daniel Kirch.

Haben Sie schon auf Ihrem Konto nachgeschaut, ob die 100 000 Euro eingegangen sind?

Bardens: Ja, ich habe nachgeschaut, aber es ist bisher leider noch nichts angekommen.

Was machen Sie, wenn Ihr Prozessgegner Lanka nicht zahlt?

Bardens: Gegen das Urteil, das in Ravensburg gesprochen wurde, kann er Rechtsmittel einlegen. Ich nehme an, dass Herr Lanka nicht daran denkt zu zahlen, bevor er nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat.

Was wollen Sie mit dem Geld machen, wenn das Urteil rechtskräftig wird?

Bardens: An welche Organisationen ich spenden würde, weiß ich noch nicht. Vielleicht würde ich auch selbst in ein Entwicklungsland fahren, um dort zu impfen. Natürlich muss ich erst die Kosten decken, die durch das Verfahren entstanden sind. Aber ich habe nicht vor, mich an den 100 000 Euro zu bereichern. Der Gedanke ist, dass der Erlös der Bücher und Zeitschriften, die der Herr Lanka vertreibt, in Impfungen fließt.

Hatten Sie mal persönlichen Kontakt zu ihm?

Bardens: Nein, das wünsche ich auch gar nicht. Nachdem ich auf seiner Internetseite schwerst verleumdet wurde, habe ich kein Interesse, mit ihm ein Wort zu wechseln.

Welche Reaktionen haben Sie auf den Prozess erhalten?

Bardens: Die Reaktionen waren überwältigend. Die Geschichte ging um die Welt. Die "New York Times", die BBC, der "Guardian", die "Hürriyet" haben berichtet, auch viele Medien hier in Schweden. Ich werde hier fast überall erkannt. Letzte Woche bin ich für ein paar Tage in einen kleinen Ort nördlich des Polarkreises ganz in der Nordspitze von Schweden gefahren, um mal ein bisschen zur Ruhe zu kommen. Aber selbst dort wurde ich drei Mal erkannt. Ich kann hier in Schweden nirgendwo im Restaurant sitzen und essen, ohne dass mir irgendwer "Glückwunsch!" zuruft.

Ist Ihnen das unangenehm?

Bardens: Mir ist es schon in gewisser Weise unangenehm, weil ich auch gerne mal abschalten würde. Vor allem ist mir unangenehm, dass ich bei öffentlichen Auftritten in Deutschland mittlerweile Personenschützer benötige. Ich bin im Moment in den Augen der Impfgegner eine Galionsfigur der Pharma-Industrie, obwohl ich mit dieser gar nichts zu tun habe. Im Internet werde ich verbal angegriffen und bedroht. Ich habe mehrere Strafanzeigen gestellt.

Ihr Prozessgegner ist promovierter Biologe. Wie erklären Sie sich, dass er allen Ernstes glaubt, dass Masern nicht durch Viren verursacht werden, sondern eine psychische Erkrankung sind?

Bardens: Ich habe absolut keine Erklärung dafür und bin einfach nur fassungslos darüber, wie ignorant man sein kann. Es gibt etwa 30 000 Wissenschaftler, die bisher am Masernvirus geforscht haben, und mehr als 10 000 Studien dazu. Es steht jedem frei, mit eigenen Forschungen nachzuweisen, dass bislang alle auf dem Holzweg waren. Aber das hat Herr Lanka nie gemacht.

Wie erklären Sie sich dann, dass Menschen empfänglich für seine Thesen sind?

Bardens: Im Internet gibt es immer mehr selbst ernannte Experten, die jedoch von Medizin keine Ahnung haben. Wenn sich Eltern im Internet über Impfungen informieren wollen, landen sie schnell auf irgendwelchen zwielichtigen Seiten. Erkrankungen wie die Masern haben auch ihren Schrecken verloren, weil sie durch Impfungen immer seltener auftreten. Dadurch lassen sich paradoxerweise immer weniger impfen.

Welche Erfahrungen haben Sie als Mediziner in Ihrer neuen Heimat in Schweden mit Masern gemacht?

Bardens: Hier gelten die Masern als ausgerottet. Die Impfquoten sind viel höher als in Deutschland. Es gibt ein nationales Impfregister, in dem alle Impfungen registriert sind, so dass man nicht seinen Impfpass verlieren kann. Wir haben hier eine 24-Stunden-Hotline, bei der man sich kostenlos von einer Krankenschwester beraten lassen kann. Es gibt auch eine staatliche Internetseite, mit der der Staat unseriösen Seiten objektive Informationen entgegensetzt. Das fehlt in Deutschland.

Was halten Sie von einer Impfpflicht ?

Bardens: Wenn wir einmal alle Menschen durchimpfen würden, könnten wir die Masern ausrotten und dann müssten wir in Zukunft keine Masernimpfungen mehr durchführen. Deswegen bin ich sehr für die Impfpflicht . Viele Eltern glauben, sie wüssten besser Bescheid als wir Ärzte, und entscheiden sich gegen die Impfung. Aber das geht in die Hose und bringt auch andere Menschen in Gefahr.

Zum Thema:

David Bardens (30), der es mit dem Masern-Prozess weltweit in Zeitungen und Fernseh-Nachrichten schaffte, ist gebürtiger Homburger. Im Jahr 2003 machte er Abitur am Saarpfalz-Gymnasium Homburg. Nach dem Zivildienst als Rettungssanitäter in Homburg und einer Ausbildung zum Rettungsassistenten in Mainz studierte er in Homburg Medizin. Nach dem Abschluss trat er 2013 eine Stelle als Assistenzarzt in der Uni-Frauenklinik an. 2014, inzwischen frisch promoviert, wanderte er nach Schweden aus; die Arbeitsbelastung in Homburg war ihm zu hoch. In der Nähe von Stockholm ist Bardens in einem Gesundheitszentrum mit 60 Mitarbeitern als Allgemeinmediziner tätig. kir

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