Mit Zeitzeugin auf Spurensuche

Erbach · Wie ist es vor 70 Jahren Hinterbliebenen ergangen, die im Krieg einen Angehörigen verloren haben? Erbacher Gemeinschaftsschüler konnten sich am Freitag hierzu Einblicke verschaffen.

 Werner Hillen, der Landesvorsitzende des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, ging am Freitag gemeinsam mit Doris Deutsch auf eine Spurensuche in der Epoche des Zweiten Weltkriegs – und nahm dabei Schülerinnen und Schüler der Neuen Sandrennbahn in Erbach mit auf eine Zeitreise. Foto: Thorsten Wolf

Werner Hillen, der Landesvorsitzende des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, ging am Freitag gemeinsam mit Doris Deutsch auf eine Spurensuche in der Epoche des Zweiten Weltkriegs – und nahm dabei Schülerinnen und Schüler der Neuen Sandrennbahn in Erbach mit auf eine Zeitreise. Foto: Thorsten Wolf

Foto: Thorsten Wolf

Man hätte durchaus vermuten können, dass da am Freitagmorgen zwei Welten mit nur ganz wenigen Verbindungen aufeinander treffen. Doch die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 9 und 10 der Erbacher Gemeinschaftsschule Neue Sandrennbahn bewiesen mit ihrem Interesse und ihrem respektvollen Auftritt ein hohes Maß an Geschichtsbewusstsein - und das bei einem Teil der Vergangenheit, der alles andere als leichte Kost ist: der Zweite Weltkrieg.

Werner Hillen, der Landesvorsitzende des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, hatte zu einer ganz besonderen "Spurensuche" eingeladen. Mit einer eigens für Schulen konzipierten Ausstellung schilderte Hillen anhand von Zeitzeugenberichten, wie es denen im und nach dem Krieg ergangen war, die einen im Krieg dienenden Angehörigen verloren hatten. An Hillens Seite: Doris Deutsch, die Witwe des Auschwitz-Überlebenden Alex Deutsch. Doch nicht als solche stand sie am Freitag den Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort. Vielmehr lieferte sie eben als Zeitzeugin Einblicke in das Leben der Hinterbliebenen. Deutsch selbst hatte als Kind ihren Vater im Krieg verloren. Dass diese besondere Geschichtsstunde den Ton der Jugendlichen traf, lag an der angenehm undramatisierten, trotzdem aber eindringlichen Art, in der Hillen und Deutsch das schwierige Thema vermittelten. Immer wieder gelang es den beiden, Brücken zwischen dem Gestern und dem Heute zu bauen, die Jugendlichen mit Fragen und Antworten ins Geschehen mit einzubinden und mit auf eine Zeitreise zu nehmen, "zu einer Zeit, zu der viele Schüler heute keinen Zugang mehr haben", war sich Werner Hillen sicher. "Wir leben inzwischen 70 Jahre im Frieden, und die Jugendlichen kennen nichts anderes als Frieden." Deswegen habe er die Ausstellung "Spurensuche" konzipiert.

Die gab am Freitag, im Dialog zwischen Werner Hillen, Doris Deutsch und den Schülerinnen und Schülern, einen facettenreichen Einblick in das Schicksal der Gefallenen und deren Angehörigen. Besonders eindringlich der Moment, als Hillen vom Ende des Krieges erzählte, "da wurden Kindersoldaten in den Krieg geschickt, um diesen angeblich noch zu gewinnen". Diese "Soldaten" seien gerade mal so alt gewesen, wie die Schüler , die da am Freitagmorgen auf Spurensuche gingen. "Stellt Euch vor, das Leben geht jetzt für Euch los. Die Jugendlichen damals hatten diese Chance nicht. Die sind mit 16 in einem sinnlosen Krieg gestorben. Und so was darf nicht mehr vorkommen, deswegen gibt es diese Ausstellung."

So gehe es bei der "Spurensuche" darum, mit den Jugendlichen vorbeugend zu arbeiten. Ein Ziel, das Schulleiterin Sabine Bleyer eindringlich in Worte fasste, als Antwort auf die Frage, wie gegenwärtig ein Thema wie der Zweite Weltkrieg bei ihren Schülerinnen und Schülern sei. "Wir müssen dafür Sorge tragen, dass dieses Thema präsent bleibt", machte Bleyer klar.

Grundsätzlich seien der Erste und der Zweite Weltkrieg in den Klassenstufen 9 und 10 Teil des Lehrplanes. Um diesen Teil des Unterricht plastischer und attraktiver zu gestalten, sei die Ausstellung "Spurensuche" des Verbandes Deutsche Kriegsgräberfürsorge hervorragend geeignet.

"Und wenn man eine Zeitzeugin hat wie Frau Deutsch, die selbst betroffen ist, das lässt einen selbst, aber natürlich auch die Schüler Gänsehaut bekommen." Dabei sei das Thema keines von gestern, Krieg sei heute, Stichwort Flüchtlinge, auch an der Schule ein aktuelles Thema. Bleyer: "Ich glaube, da baut man auch Brücken zu den Kindern und Familien." Das große Ziel: den Frieden bewahren.

"Das muss in den Köpfen der Schüler bleiben, gerade vor dem Hintergrund verschiedener politischer Entwicklungen. Hier müssen wir die Wähler von morgen an den europäischen Friedensgedanken heranführen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort