Ein Traditionsverein verkündet das Aus

Oberbexbach · Eine über 100-jährige Tradition geht zu Ende, die Oberbexbacher Liedertafel löst sich auf. Es konnte kein Vorsitzender gefunden werden.

Die Liedertafel Oberbexbach ist einer der großen Traditionsvereine am Höcherberg. Es gab kaum einen gesellschaftlichen Anlass, bei dem der bekannte Chor gefehlt hätte. Doch auch Tradition schützt nicht vor dem Zahn der Zeit.

Am morgigen Freitag um 18 Uhr wird der Verein aufgelöst. Der Grund: "Es hat sich niemand bereit erklärt, den Vorsitz zu übernehmen", sagt Karl-Heinz Omlor, der diesen Posten 43 Jahre mit kurzen Unterbrechungen inne hatte und mit seinen 79 Jahren der Meinung war, "dass ich jetzt lange genug meine Pflicht getan habe". Was sicherlich niemand bestreiten wollte, denn 43 Jahre sind auch im regen Vereinsleben des Saarpfalz-Kreises eine Messlatte, an die so schnell keiner herankommt.

Dass ihm diese Auflösung sehr leid tue, daraus macht Omlor kein Hehl: "Die Liedertafel war 65 Jahre lang ein wichtiger Teil meines Lebens, ich habe meine Freizeit und meine Urlaubsplanung nach den Erfordernissen des Vereins ausgerichtet und fast nie gefehlt." Doch Omlor ist auch Realist genug, um einzusehen, dass man ein solches Engagement heute von keinem jüngeren Mitglied mehr verlangen könne: "Jüngere Leute setzen in der Freizeit andere Schwerpunkte als das Singen. Die große Zeit der Gesangsvereine, wie ich sie noch kannte, ist vorbei." Über das genaue Gründungsjahr der Liedertafel gab es stets einige Kontroversen, Tatsache ist, dass der Oberbexbacher Peter Andres, der einer bekannten Musiker- und Bergkapellmeister-Familie entstammte, Ende des 19. Jahrhunderts einer der Gründungsväter war. Über die Jahrzehnte erfuhr der Verein viele Änderungen und Neuerungen, es gab eine Musikabteilung, einen Männerchor, einen Pfarr-Cäcilien-Verein.

Der Erste Weltkrieg brachte 1914 den Männergesang zum Erliegen. 1919 wurde die Sangestätigkeit innerhalb des Pfarr-Cäcilienvereins wieder aufgenommen. 1923 wurde der Verein wieder eigenständig als "Männergesangverein Liedertafel" geführt. Man zählte damals 63 Sänger. Der Fahrsteiger Reinhard Welter dirigierte 36 Jahre lang den Chor.

Die 20er und 30er Jahre waren die Blütezeit des Chores. Der Zweite Weltkrieg brachte 1943 das Aus der Sängertätigkeit. Nach dem Krieg machte das Vereinsverbot einen Neubeginn schwer, trotzdem wurde in einer so genannten Vereinsgemeinschaft gesungen.

Nach Aufheben des Vereinsverbots 1950 konnte der Chor unter dem Vorsitzenden Felix Pirrung (bis 1953) und der Stabführung von Reinhard Welter seine Tätigkeit wieder aufnehmen. 1953 entfaltete die Liedertafel eine neue Aktivität mit der Gründung eines gemischten Chores. 1966 wurde Karl Heinz Omlor an die Vereinsspitze gewählt, das blieb er mit einigen Unterbrechungen. Dass auch er es sein würde, der den Traditions-Verein dereinst würde auflösen müssen, hatte er sich damals nicht vorstellen können. "In über 100 Jahren war die Liedertafel immer bestrebt, das kulturelle Angebot zu erhalten zum Wohle der Oberbexbacher Bürger", betonte Omlor. Was bleibt, ist ein Blick zurück in eine ereignisreiche Zeit und die Erinnerung an viele schöne Konzertreisen: "Wir haben im Wiener Rathaus gesungen, im Dom von Eisenstadt, vor ungarischen Kirchen und Plätzen." Volkslieder und Trinklieder seien immer besonders gut angekommen, erinnert sich Omlor: "Da springt sofort der Funke über, das führt zusammen und es entstehen spontan Freundschaften."

Was passiert, wenn ein Verein abgewickelt wird? "Dann wird alles veräußert, was wir in den Jahren angeschafft haben, dazu gehören zwei Klaviere und eine teure Soundanlage. Das wird verkauft und der Erlös gemeinnützigen Zwecken zugeführt."

Übrig bleiben 22 aktive Mitglieder aus dem gemischten Chor und 13 Aktive aus dem Männerchor. Ob sie nun anderswo weitersingen wollen, müssen sie selbst entscheiden. Die Liebe zum Singen werde bei den Menschen bestehen bleiben, sagt Karl-Heinz Omlor. Nur künftig wohl in einer anderen Form als in einem herkömmlichen Verein.

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Ein Abbild der Geschichte am Höcherberg Der Gesangverein Liedertafel war auch ein getreues Abbild der Oberbexbacher Zeitgeschichte. Gegründet wurde er gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der bergmännischen Tradition. Damals sprießten in ganz Deutschland Männerchöre aus dem Boden, die eine neue Form der Geselligkeit darstellten. Neben Gesang- wurden auch zahlreiche Turnvereine gegründet. Die Weltkriege fügten den Vereinen schwere Verluste zu, doch sie erlebten noch eine Hochblüte bis in die 80er Jahre, danach begann der Abstieg. Inzwischen sterben überall die Gesangvereine aus.

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