Wo die große Zeit wieder lebendig wird

Saargemünd · Von Saarbrücken nach Saargemünd ist es ein Katzensprung. Mit Auto oder Saarbahn sind es nur wenige Kilometer zu dem Grenzstädtchen mit großer Vergangenheit. Ein Museum der besonderen Art erzählt davon.

 Hier kann der Besucher des Musée régional seine Fantasie schweifen lassen: Der Wintergarten ist ein Highlight der keramischen Kunst, für die Saargemünd, das Städtchen am Zusammenfluss von Saar und Blies, einst berühmt war. Fotos: Georg Bense

Hier kann der Besucher des Musée régional seine Fantasie schweifen lassen: Der Wintergarten ist ein Highlight der keramischen Kunst, für die Saargemünd, das Städtchen am Zusammenfluss von Saar und Blies, einst berühmt war. Fotos: Georg Bense

"Nun sitze ich in diesem lothringischen Nest. Ich sehe keine Autos, keine Droschke; ab und zu einen Handwagen, bäurische Leute mit schiefen schwarzen Filzhüten…" Der Dichter Alfred Döblin wurde während des 1.Weltkrieges als Stabsarzt von Berlin in das Städtchen am Zusammenfluss von Saar und Blies versetzt. Zwischen 1870 und 1918 gehörte Saargemünd (franz. Sarreguemines) zum Deutschen Reich. Wer heute hierher kommt, erlebt ein quicklebendiges Grenzstädtchen, das ein besonderes Flair provinzieller Internationalität entfaltet. Graue Langeweile, wie sie Döblin empfunden hat, ist einem farbigen Stadtleben gewichen, zu dem auch Zeugnisse aus dem 19. Jahrhundert gehören. Damals hatte die Fayencerie von Saargemünd in ganz Europa einen großen Namen und gehörte zu den Marktführern der Keramikindustrie.

Im Musée régional wird die große Zeit erneut lebendig. Eingang und Rezeption lassen nichts Außergewöhnliches vermuten. Im 1. Stock, vorbei an keramischen Preziosen, erwartet den Besucher eine Überraschung: Er betritt einen Wintergarten, ein Highlight der keramischen Kunst, für die Saargemünd einst berühmt war. Große und kleine Kacheln sind zu Bildern und Dekors zusammengesetzt, die das Auge nicht müde werden lassen, den Raum zu durchwandern, um an Ästen, Blumen und Girlanden aus Keramik hängen zu bleiben. Besondere Augenmerke gelten einem stolz in die Runde blickenden Pfau, Störchen und Reiher die durch imaginäre Wiesen staksen oder einem fetten Karpfen, der sich in unsichtbaren Wassern tummelt. Der Besucher erlebt einen jener magischen Museumsräume, in denen er sich nicht begnügen muss die Wirklichkeit zu betrachten. In seiner Phantasie kann er sich eine zweite, eigene Realität schaffen, ähnlich historischen Filmkulissen, in der elegante Damen bei Small Talk und Tee zusammensitzen, wo im Rauch dicker Zigarren Geschäfte abgeschlossen werden. Der Wintergarten war der Salon des Hauses von Paul de Geiger, einem der Keramikbarone, die ihre Fabrik als Patriarch regierten. Alle Gewalt ging vom "Herrn" aus. Entsprechend ihrer Macht war auch ihr Drang zu pompöser Repräsentation. Jugendstil und Design der Art Nouveau lieferten die Stilmittel zur Innenarchitektur .

Zwei große Familien hatten einst das Sagen in der Fayencerie. Von den Betriebsgründern erwarb der aus Bayern stammende Paul Utzschneider 1799 die Manufaktur, der das Warenangebot systematisch erweiterte. Von ihm übernahm sein Schwiegersohn Alexandre de Geiger das Unternehmen in dem 3000 Angestellte arbeiteten. Verteilt über die Stadt standen 30 Brennöfen, eingemauert in elf Meter hohe Backsteinhüllen. Ein letzter dieser Kolosse steht hinter dem Rathaus. Wie das Museum und sein Wintergarten, ist er Teil des Rundgangs durch die keramische Vergangenheit des Städtchens, auf dem man lernt, wie und wo die keramischen Schönheiten von Saargemünd ihren Ursprung hatten.

 Bilder wie dieses Pflanzenmpotiv lassen das Auge nicht müde werden, den Raum zu durchwan dern.

Bilder wie dieses Pflanzenmpotiv lassen das Auge nicht müde werden, den Raum zu durchwan dern.

Zum Thema:

AUF EINEN BLICKAnreise mit Saarbahn Saarbrücken -Saargemünd (Sarreguemines.) Mit dem Auto: über B 51 und N 61. Le Musée régional: Täglich geöffnet, außer Montag. Preis: 3 Euro.sarreguemines.fr

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