Untergang – und dann erblühte der Barock

St Ingbert/Mannheim · Saarländische Städte mit ihrer barocken Geschichte sind auch Teil der Barock-Ausstellung in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen. Die SZ stellt in einer Serie die Barockperlen vor – heute St. Ingbert.

 Barocke Stimmung: Im Schatten der Engelbertskirche in St. Ingbert lässt es sich auch wunderbar feiern. Foto: Cornelia Jung

Barocke Stimmung: Im Schatten der Engelbertskirche in St. Ingbert lässt es sich auch wunderbar feiern. Foto: Cornelia Jung

Foto: Cornelia Jung

Wer die Epoche des Barocks - ganz im Sinne der Reiss-Engelhorn-Museen - "jenseits von Puder, Pomp und Dekadenz als ein europäisches Phänomen" entdecken und mehr über ein die Welt veränderndes Zeitalter zwischen Umbruch und Aufbruch, Mittelalter und Moderne erfahren möchte, der sollte sich auf einen Streifzug durch das St. Ingbert des 18. Jahrhunderts begeben. So findet man hier, zwischen Bliesgau und Saarkohlewald , keine prunkvollen Schlösser, dafür aber nicht minder interessante Zeugnisse früher Industrialisierung , Handwerker-, Bürger- und Gasthäuser, Grenzsteine und schließlich mitten im alten Ortskern mit der St. Engelbertskirche den einzigen Sakralbau an der Barockstraße SaarPfalz, der seine 1755 entstandene Originalausstattung noch weitestgehend original bewahrt hat.

Die meisten dieser unter der Regentschaft der Reichsgrafen von der Leyen errichteten Gebäude befinden sich entlang der Fußgängerzone, die im 18. Jahrhundert eine der wichtigsten Fernstraßen zwischen Paris und dem Rhein war. Dabei wechseln sie sich immer wieder mit später entstandenen Gebäuden ab, so dass eine Entdeckungstour durch das barocke St. Ingbert zugleich rund 300 Jahre Stadt- und Regionalgeschichte erschließt.

In der Fußgängerzone findet sich auch das älteste, auf 1726 datierte Haus der Stadt. Dass es hier keine ältere Bausubstanz gibt, ist exemplarisch für die meisten Orte im heutigen Saarland, die während des Dreißigjährigen Krieges untergingen. So wurde 1637 auch das alte St. Ingbert zerstört. Nur vier Männer und fünf Kinder konnten sich retten. Das Barockzeitalter stellte mit dem Wiederaufbau des ruinierten Landes und den damit verbundenen Einwanderungswellen hier gleichsam eine "Stunde Null" dar.

Hinter barocken Fassaden wiederum werden Geschichten wie die vom legendären St. Ingberter Waldstreit und seiner Beendigung durch Reichstruppen im Winter 1789 und damit die sozialen, gesellschaftlichen und politischen Spannungen am Vorabend der Französischen Revolution lebendig. Spannungen indes gab es auch zwischen den Einwohnern des katholischen Waldbauerndorfes und den Bewohnern der 1732 nicht weit davon gegründeten Eisenhütte, der "Alten Schmelz", die ebenfalls Teil der Barockregion Südwest ist.

Noch heute finden sich in der Werksiedlung der "Alten Schmelz" die frühesten Zeugnisse der im 18. Jahrhundert beginnenden Industrialisierung - so etwa die mit der Jahreszahl 1750 geschmückte "Möllerhalle" - sie gilt als das älteste Industriedenkmal des Saarlandes - sowie die benachbarten in der Zeit der Reichsgrafen von der Leyen errichteten Arbeiterhäuser.

Übrigens kann man sich in St. Ingbert künftig auch kulinarisch dem 18. Jahrhundert nähern: "Wir bieten", so Melanie Fritsch von der Abteilung Tourismus der Stadt St. Ingbert, "im Rahmen der Veranstaltungsreihe zur Barockregion am 2. Oktober erstmals den Stadtspaziergang ‚Barocke Lebenswelten à la Carte‘ mit einem Menü nach Originalrezepten von 1769 an." Diese sind dem Kochbuch einer Zweibrücker Familie entnommen.

Zum Thema:

Auf einen Blick In St. Ingbert wird regelmäßig die Themenführung "Zwischen Barock und Biosphäre - Auf Entdeckungstour durch das Hochgräflich-Leyische St. Ingbert" und ab Oktober der kulinarische Stadtspaziergang "Barocke Lebenswelten à la Carte" angeboten. Infos hierzu unter Tel. (068 94) 137 30 bei der Stadt St. Ingbert sowie im Internet unter www.st-ingbert.de . red

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