Rendezvous mit dem Barock

Ottweiler · Barockstädte aus dem Saarland sind bei der Barock-Ausstellung in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen mit dabei (ab 11. September). Die SZ stellt in einer Serie die Barockperlen vor – heute Ottweiler.

 Der Ottweiler Stengel-Pavillon mit dem Rosengarten gehört zu den prägenden barocken Bauten der alten Residenzstadt. Foto: Stadt Ottweiler

Der Ottweiler Stengel-Pavillon mit dem Rosengarten gehört zu den prägenden barocken Bauten der alten Residenzstadt. Foto: Stadt Ottweiler

Foto: Stadt Ottweiler

Nicht alles in Ottweilers schmucker Innenstadt ist barock - und gerade die sich harmonisch ergänzende Mischung aus Mittelalter, Renaissance und Bauwerken des 18. Jahrhunderts macht den besonderen Reiz der vormaligen Nassauischen Residenzstadt aus. So wird bei einem Streifzug durch die Altstadt zum einen deutlich, wie sich der Barock aus den vorangegangenen Stilen und Epochen entwickelt hat, und man erkennt zum anderen zugleich dessen formale Besonderheiten.

Wie in Saarbrücken waren es auch hier der Fürst Wilhelm Heinrich und sein Generalbaudirektor Friedrich Joachim Stengel, die die Stadt nachhaltig prägten. So schuf Stengel 1758 den ursprünglich auf einer Blies-Insel gelegenen Pavillon, der als fürstliches Jagd- und Lustschlösschen diente, und heute - von einem Barock-Rosengarten umgeben - zu den Postkartenmotiven Ottweilers zählt. Zeitgleich wurde das Witwenpalais errichtet, das als Stengels einziger Stadtpalast gilt und seit 1889 Sitz des Landratsamtes ist, sowie die aus dem Mittelalter stammende Pfarrkirche umgestaltet und durch ein barockes Hauptportal mit Freitreppe ergänzt.

Im Vergleich dazu vermittelt das um 1717 als Fachwerkbau errichtete Alte Rathaus mit Pranger einen guten Eindruck vom "Barock vor Stengel". Hinter dem Alten Rathaus erinnert der Fornaro-Hof an den 1757 hier geborenen Hofmaler Johann Heinrich Schmidt, der mit Goethe verkehrte und von ihm den Spitznamen "Fornaro" - auf Italienisch "Bäcker" - erhielt. Nicht mehr erhalten ist hingegen die nach Plänen Stengels errichtete fürstliche Porzellanmanufaktur, in der von 1763 bis zu ihrer Aufgabe um 1800 in Folge der Revolutionskriege, jenes berühmte "Weiße Gold" aus Ottweiler gefertigt wurde, das heute aufgrund seiner Seltenheit zu den weltweit begehrtesten Marken zählt.

Umso erfreulicher ist es, wenn von Zeit zu Zeit Stücke auftauchen - so wie Ende letzten Jahres ein bislang als verschollen geltendes Jagd-Solitaire des Fürsten Ludwig, das in der Porzellangeschichte des 18. Jahrhunderts gar als ziemlich einzigartig gilt und das vermutlich aus dem von französischen Revolutionstruppen zerstörten Neunkircher Schloss Jägersberg stammt. Das Barockzeitalter als Epoche der Aufklärung und einer von der Obrigkeit offensiv geförderten Volksbildung vermittelt darüber hinaus das Saarländische Schulmuseum in der Goethestraße 13, wo unter anderem ein handgeschriebenes Rechenbuch von 1749 oder ein ABC-Buch von 1777 zu sehen sind.

Einen Eindruck von den Lehr- und Lebensverhältnissen der Pädagogen vermittelt das um 1700 entstandene Schulhaus zwischen Eckenstraße und Tenschstraße, während das um 1750 errichtete Gebäude in der Alten Kirchhofstraße 5 im 18. Jahrhundert als Mädchenschule diente. Daneben empfiehlt sich ein Besuch des Stadtmuseums in der Linxweilerstraße 5, wo unter anderem ein barockes Fürstenzimmer eingerichtet wurde.

Wer mehr über das barocke Ottweiler erfahren möchte, sollte sich einer der hierzu angebotenen Themenführungen anschließen - am besten in Begleitung der von Brigitte Meister authentisch-charmant dargestellten Reichsgräfin Katharina von Ottweiler , die ihrerzeit eine beispiellose Karriere erlebte: 1757 in Fechingen geboren, stieg das ebenso kluge wie attraktive Mädchen von der "Gänsegretel" zur Gemahlin Ludwigs, des letzten regierenden Fürsten von Nassau-Saarbrücken, sowie zur Reichsgräfin von Ottweiler und Herzogin von Dillingen auf. Im Rahmen dieses "Audienzspaziergangs aus erster Hand" gibt es mitunter auch leckeres Barockbrot zu probieren, das der Ottweiler Bäckermeister Roland Schäfer in Zusammenarbeit mit der Bliesmühle eigens für die Barockstraße Saarpfalz kreiert hat.

Zum Thema:

Auf einen Blick In Ottweiler vermitteln Themen- und Kostümführungen regelmäßig das Zeitalter des Barocks. Infos hierzu gibt es unter Tel. (0 68 24) 35 11 bei der Tourist-Information sowie im Internet unter www.ottweiler.de . Infos zum Saarländischen Schulmuseum und dem Schulhausrundweg gibt es im Internet unter www.schulmuseum-ottweiler.net , Infos zum Stadtmuseum unter www.stadtmuseum-ottweiler.de . Im Rahmen der Veranstaltungsreihe zur Barockregion Südwest werden im Oktober im Stadtmuseum jeweils um 19 Uhr Vorträge angeboten: "Pfarrer Woytt - Muster des barocken Theologen" (5. Oktober), "Barock à la Carte - Kartographie im Fokus von Kunst und Technik" (10. Oktober), "Fürst Ludwig und seine große Liebe" (19. Oktober), "Generalbaumeister Stengel und Ottweiler " (26. Oktober). kf

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