Juwel der Barockzeit – auch ohne Schloss

Blieskastel/Mannheim · Barockstädte aus dem Saarland sind bei der Barock-Ausstellung in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen mit dabei. Die SZ stellt in einer Serie die Barockperlen vor – heute Blieskastel.

 Stengel-Schüler Peter Reheis schuf die Schlosskirche. Foto: Schanding

Stengel-Schüler Peter Reheis schuf die Schlosskirche. Foto: Schanding

Foto: Schanding

"Barock - Nur schöner Schein?", so lautet der Titel der Sonderausstellung, mit denen die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen vom 11. September an erstmals eine Schlüsselepoche Europas ebenso eindrucksvoll wie abseits gängiger Klischees erschließen möchten. Ausstellungsbegleitend wurde das kulturtouristische Netzwerk "Barockregion Südwest" ins Leben gerufen, das insgesamt 41 ausgewählte Orte umfasst - darunter auch die vormalige Residenzstadt Blieskastel.

Nur wenige Orte in Südwestdeutschland vermitteln einen so dichten Eindruck von barocker Architektur wie das seinerzeit abseits der großen Industriereviere gelegene und deswegen von einschneidenden Modernisierungen weitgehend verschonte Blieskastel. Wer durch das historische Zentrum flaniert, kann dabei mehr als 150 Einzeldenkmäler aus dem 17. und 18. Jahrhundert entdecken. Nicht ohne Grund wurde 1986 die gesamte Altstadt unter Denkmalschutz gestellt und gilt zudem als das geschlossenste Barock-Ensemble dieser Art in Südwestdeutschland.

Dass sich Blieskastel heute als Juwel der Barockzeit präsentiert, ist dem Wirken der Reichsgrafen von der Leyen zu verdanken: 1660 hatten sie die Stadt und einige Dörfer im Umland erworben, die - wie die gesamte Region - nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges vollständig darnieder lagen. Zunächst sorgte das Haus von der Leyen von seiner Hauptresidenz in Koblenz aus dafür, dass ihr Territorium an der Blies sich wieder erholte, was aufgrund der bald die Region heimsuchenden Kriege Ludwigs XIV. und der damit verbunden neuerlichen Verwüstungen kein einfaches Unterfangen war. Von diesen unruhigen Zeiten zeugt die aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen nicht vollendete und dennoch elegante "Orangerie" mit ihrem vor einigen Jahren im Stil eines "jardin à la française" angelegten Barockgarten.

Unter der Regierung des Reichsgrafen Franz Carl und seiner bis heute als "Grafin Marianne" verehrten Frau kam es dann ab 1770 und vor allem 1773 mit der Verlegung der Residenz von Koblenz nach Blieskastel zu einem regelrechten "Bauboom". Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten erhielt das vormalige Landstädtchen sein elegant-höfisches Gepräge. So schuf der aus Nohfelden stammende Baumeister Christian Ludwig Hautt mit dem seinerzeit zugleich als Armen-, Zucht- und Waisenhaus, Kaserne, Sitz der "Landschaft" und Markthalle dienenden Oberamtsgebäude am "Neuen Marckt oder Paradi Blatz" "das wohl schönste Stiftungsgebäude im Rheinkreis" und parallel dazu seine herrschaftliche Oberstadt mit ihren außergewöhnlichen Hofratshäusern. Der Stengel-Schüler Peter Reheis hingegen schuf mit der auch als "Schlosskirche" bezeichneten Klosterkirche der Franziskaner sein zu den schönsten Sakralbauwerken im Südwesten zählendes Meisterwerk.

Nur eines fehlt: Das prächtige Schloss, von dem aus die Reichsgrafen von der Leyen die Geschicke ihres Landes lenkten: Das Schloss verschwand, nachdem französische Revolutionstruppen auch Blieskastel besetzt und in der Folge planmäßig ausgeraubt hatten.

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Auf einen Blick In Blieskastel werden regelmäßig Führungen - darunter auch Kostüm-, Nachtwächter- und kulinarische Führungen - durch die barocke Altstadt angeboten, darüber hinaus gibt es themenbezogene Vorträge und Märkte. Nähere Infos gibt es unter Tel. (0 68 42) 9 26-13 14. Nähere Infos zu Blieskastel als Station der Barockstraße Saarpfalz unter www.barockstrasse-saarpfalz.de/barockstrasse/4169.htm . Nähere Infos zur Ausstellung "Barock - Nur schöner Schein?" gibt es unter www.barock2016.de kf

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