Deine Kohle, meine Kohle

Petite-Rosselle · Ausstellung zur gemeinsamen Bergbau-Geschichte in Petite-Rosselle eröffnet.

 Ausschnitt aus der Collage „Gegenwart und Zukunft“. Foto: Musée des Mineurs

Ausschnitt aus der Collage „Gegenwart und Zukunft“. Foto: Musée des Mineurs

Foto: Musée des Mineurs

Nicht immer ist alles deutsche Ingenieurskunst. Im Fall der saarländischen Kohle war es ein Franzose - Jean Baptiste Duhamel (1767-1813) -, der im Saarland für das nötige Knowhow sorgte. Im Auftrag Napoleons gründete er die Bergschule in Geislautern, um Bergbau-Spitzenkräfte auszubilden. Ein unscheinbares Foto aus den 1930er Jahren in einer der Vitrinen im Bergarbeitermuseum in Petite-Rosselle (Musée des Mineurs) zeugt davon. Es stammt aus der privaten Sammlung des saarländischen Industriekultur-Experten Delf Slotta. Er ist zugleich Direktor des Instituts für Landeskunde. Und als solcher sprang er dem Team des Bergarbeiter-Museums in Petite-Rosselle (Musée des Mineurs) gerne zur Seite, als es darum ging, eine vor zwei Jahren eingerichtete Sonderschau zu überarbeiten. Die präsentierte das Thema Bergbau erstmals in einer deutsch-französischen Gesamtbetrachtung. Ein politisch geradezu zwingendes Thema, nimmt man die Kooperations-Absichtserklärungen diesseits und jenseits der Grenze ernst. So gesehen hätte aus der ursprünglichen Sonderschau in Petite-Rosselle jetzt eine erste wirklich große saarländisch-lothringische Präsentation wachsen können.

Also auf nach Petite-Rosselle? Selbstredend! Das Musée des Mineurs lohnt, doch die Erwartungen an die "erweiterte" Ergänzungs-Schau in der Waschkaue muss man stark zügeln, denn die Präsentation hält mit der Qualität der wissenschaftlichen Aufbereitung nicht mit: zu viele Texttafeln, zu wenig Originale. Ausladende Grafiken und Karten liefern wertvolle Informationen, etwa eine Zusammenschau der Einwohnerentwicklung und der Beschäftigtenzahlen auf den Gruben: In den 1920er Jahren lag die Spitzenzeit für die Kohleförderung: 73 000 Menschen arbeiteten im Saar-Bergbau, 40 000 in den lothringischen Minen. Doch vieles, was die Kuratorin Laetitia Gigault bereits 2015 unter dem Titel "Moselle-Saar - die Kohle als Beginn Europas?" an Spezial-Fakten recherchiert hatte, bleibt auch weiterhin unentdeckt, weil die Info-Banner zu hoch hängen oder die Schrift schwer lesbar ist.

Aufgefächert hat sie das Thema in vier Epochen, in denen die Kohle zwischen Deutschen und Franzosen ein Streitobjekt war. Zwischen 1792 und 1815 lag die Saarkohle in einem Departement der Republik und profitierte von Napoleons Interesse. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 rissen sich die Preußen Elsass-Lothringen und die Kohlegruben unter den Nagel, enteigneten die französischen Privatunternehmen, machten den Bergbau staatlich. Die Eisenbarone, die Röchlings und Stumms, kamen in den Besitz der lothringischen Erzvorräte - und legten richtig los. Jetzt waren es die Franzosen, die vom deutschen Ingenieurwesen und dem deutschen Sozialsystem profitierten. Es folgt die Völkerbundzeit für das Saargebiet nach dem Ersten Weltkrieg (1919-1935), während der die Saarkohle durch die "Französischen Saarminen der Saar" abgebaut wird. Eine "Ausbeutung", die einher geht mit enormem ökonomischen und technischen Fortschritt: 53 400 Kerzenlampen werden durch 170 elektrische Lampen ersetzt. Schaffte 1913 ein Mann pro Schicht 784 Kilo Fördermenge, waren es 20 Jahre später 1175 Kilo. Und dann kam noch die Epoche zwischen 1945 und 1955/57, als das Saarland ein eigener Staat war, aber wirtschaftlich zu Frankreich gehörte. Wie über all diese Politwirren hinweg das Leben der Menschen lief, mit den preußischen Arbeitsordnungen, dem Saar-Franc und x-fachen Passierscheinen, mit Friedrichsthaler "Klickerwasser" und französischen Schnupftabakdosen - davon zeugen die Exponate in den Vitrinen. Davon sind nur wenige mehr hinzugekommen, zu viel wurde in sie reingepackt. Mini-Beschriftungs-Zettel machen es dem Besucher schwer, eine wirkliche Ordnung lässt sich kaum erkennen. So ergeben sich mitunter mehr Fragen als Antworten.

Zweifelsohne hat hier keine grundlegende "Überarbeitung" der Sonderschau stattgefunden. Zu teuer? Kein Wunder: Die Franzosen müssen die Bergbau-Geschichte, die eine gemeinsame ist, alleine stemmen. Hut ab, das sie es überhaupt tun.

Zum Thema:

Sonderschau "Moselle-Saar - die Kohle als Beginn Europas?" im Musée Les Mineurs Wendel, 57540 Petite-Rosselle, geöffnet: von Di - So, 9 - 18 Uhr. Man spricht Deutsch, die Sonderschau und Dauerausstellung sind zweisprachig.

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