Einmal möchte er Judas sein

Primsweiler · Ein neues Theater, eine Welturaufführung – und ein Saarländer mittendrin. Detlef Leistenschneider aus Primsweiler spielt eine der Hauptrollen in dem Musical „Das Wunder von Bern“, das am 23. November im neuen Stage Theater an der Elbe in Hamburg Premiere feiert. Was ihn an diesem Stück und an der Rolle des Richard Lubanski besonders reizte, das erzählt Detlef Leistenschneider im Gespräch mit SZ-Redakteurin Melanie Mai.

 Detelf Leistenschneider (Vierter von links) spielt Richard Lubanski im „Wunder von Bern“. Foto: Stage Entertainment/Morris Mac Matzen

Detelf Leistenschneider (Vierter von links) spielt Richard Lubanski im „Wunder von Bern“. Foto: Stage Entertainment/Morris Mac Matzen

Foto: Stage Entertainment/Morris Mac Matzen

Herr Leistenschneider, sind Sie eigentlich Fußball-Fan?

Detlef Leistenschneider: Es ist witzig; ich bin wieder Fußballfan geworden. Aber nicht durch das "Wunder von Bern ", sondern schon zwei, drei Jahre vorher. Als kleines Kind war ich immer Fan vom FC Bayern München . Das hat sich irgendwann gelegt. Aber dann hab ich wieder angefangen, mich für Fußball zu interesssieren, weil sich das im Freundeskreis so ergeben hat. Aber ich bin kein Fan eines bestimmten Vereins; ich möchte nur guten Fußball sehen. Auch wenn mein herz noch ein kleinwenig am FC Bayern hängt. Ich wohne auch ganz in der Nähe vom St.-Pauli-Stadion; da bekomme ich immer mit, wenn, Spiele sind.

Waren Sie schon einmal dort im Stadion?

Leistenschneider: Ja, letztes Jahr habe ich ein Spiel gesehen; das hat St. Pauli sogar 3:0 gewonnen. Mein Problem ist, dass St. Pauli selten dann spielt, wenn ich frei habe, da ich sieben Tage in der Woche auf der Bühne stehe.

Verfolgen Sie auch noch das Fußball-Geschehen im Saarland?

Leistenschneider: Nein, das kriege ich hier nicht so mit. Ich erinnere mich aber noch an die Zeit, als Homburg und Saarbrücken in der ersten Liga spielten.

Jetzt aber zum "Wunder von Bern ". Kannten Sie den Film, bevor Sie sich um die Rolle bemühten?

Leistenschneider: Ich habe den Film gesehen, als er rauskam; fand ihn auch gut. Diese vielen Emotionen verbunden mit dem Fußballhintergrund, das wird sehr gut dargestellt. Und das zeigen wir auch im Musical . Man durchlebt alle Gefühlswelten. Ich will im Musical berührt werden. Lachen und weinen zu können, das bedeudet für mich einen gelungenen Theaterabend. Da brauche ich kein spektakuläres Bühnenbild; aber das haben wir natürlich auch beim "Wunder von Bern ".

Was hat Sie an der Rolle besonders gereizt?

Leistenschneider: Mir war sofort klar, dass ich nur für die Rolle des Richard Lubanski vorsingen will. Eine Rolle in dieser Art habe ich vorher noch nie gespielt. Sie ist so vielschichtig. Zunächst kommt Lubanski als unsympathischer, schroffer Mann rüber, der zurückkommt und alles glattbügeln will. Doch dann merkt man, dass nur die Umstände ihn zu dem gemacht haben, was er ist. Er war eben abgeschnitten von den Entwicklungen in der Familie und in Deutschland. Erst später wird deutlich, dass Lubanski ein guter, warmherziger, positiver Mensch ist, der bereit ist, etwas zu ändern.

Würden Sie sagen, es ist der Höhepunkt Ihrer Karriere, jetzt eine Rolle selbst zu kreiieren?

Leistenschneider: Ich habe schon öfter Rollen in einer Welturaufführung gespielt; aber noch nie in dieser Dimension. Eine große Hauptrolle - das ist schon ein Highlight, ja sogar das Highlight meiner Karriere. Ein neues Theater, ein neues Stück, eine große Rolle, und das in der Stadt, in der ich seit zwölf Jahren lebe - das ist wie ein Sechser im Lotto.

Sie freuen sich über das neue Team im neuen Theater? Ist da wirklich eine Art Aufbruchstimmung zu spüren?

Leistenschneider: Den frischen Wind, den merkt man schon. Es gibt keine eingefahrenen Wege. Auch wenn ein eingespieltes Team Vorteile hat, so ist das jetzt etwas Besonderes. Alles muss man sich erst einmal erarbeiten. Da entwickelt sich ein großes Miteinander und eine große Kommunikation.

Es gibt unter Musical-Fans viele Kritiker, die denken, Musical und Fußball, das passt nicht zusammen. Wie überzeugen Sie sie?

Leistenschneider: Ihnen sage ich einfach: Schaut Euch Rocky an. Da hat es auch funktioniert. Und so wird auch "Das Wunder von Bern " funktionieren. Wir werden es nicht vertanzen, kein Ballett daraus machen. Es wird, genau wie Rocky, authentisch sein. Und der Fußball ist nicht das tragende Thema, er bildet aber den Hintergrund.

Gab es Kontakt zur Film-Crew?

Leistenschneider: Einige Male haben wir uns mit Sönke Wortmann (Regisseur des Films; Anm. d. Red.) getroffen, wir haben abends ein Bier zusammen getrunken. Er hat aus dem Nähkästchen geplaudert, wie das damals so war beim Filmdreh. Es hat großen Spaß gemacht.

Gibt es für Sie eine Lieblings-Stelle im Film, eine im Musical ?

Leistenschneider: Für mich ist eine der Schlüsselszenen, wenn der Vater seinen Sohn in der Kneipe nach einer Zigarette fragt. Es fängt so wohlwollend an, wenn er seinen Sohn fragt, für wen er denn in der Kirche eine Kerze angezündet hat. Und dann bekommt er eine gescheuert, weil er sie angezündet hat, damit Helmut Rahn nicht auf der Bank sitzen muss.

Elisabeth, Rocky, Mamma Mia, Schuh des Manitu - die Liste Ihrer Musicals ist schon recht lang. Haben Sie - nach Richard Lubanski - noch eine Traumrolle?

Leistenschneider: Ja, die habe ich tatsächlich, aber eine unerreichbare. Ich möchte gerne Judas in Jesus Christ Superstar spielen. Aber meine Stimme ist nicht hoch genug. Ich bin Bass-Bariton, und für diese Rolle müsste ich Tenor sein. Aber ich warte auf einen Regisseur, der sich unbedingt Detlef Leistenschneider für diese Rolle wünscht - und der die Tonlage für mich umschreibt (lacht).

Noch einmal zurück zu Ihrer Heimat: Sie kommen aus Primsweiler; zieht es Sie ab und zu noch nach Hause?

Leistenschneider: Ja, meine ganze Familie wohnt ja dort; meine Eltern und Geschwister. Ich habe bis 1993 dort gelebt und versuche, mindestens zweimal im Jahr zu kommen. Zu Weihnachten und irgendwann im Frühjahr, wenn es die Zeit erlaubt.



Merzig entwickelt sich langsam zur Musical-Stadt. Können sich Ihre Fans Hoffnung machen, Sie vielleicht auch einmal im Zeltpalast zu sehen?

Leistenschneider: Natürlich. Ich habe übrigens bei der allerersten Musical-Produktion im Merziger, damals noch nicht fest installierten Zeltpalast, mitgemacht - in der "Rocky Horror Show". Das muss 2000 gewesen sein. Im Sommer hat Andreas Gergen (Regisseur der "Addams Family" im Zeltpalast; Anm. d. Red.), der auch Saarländer ist, "Die Addams Family" im Zeltpalast inszeniert. Wir haben zusammen studiert. Und vielleicht führt uns der Zufall mal in Merzig zusammen. Es wäre doch klasse, wenn wir Saarländer gemeinsam etwas Schönes in Merzig machen würden.

Vielen Dank für das Gespräch, möchten Sie noch etwas loswerden?

Leistenschneider: Ganz liebe Grüße in die Heimat; ich komme bald wieder.

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Zur PersonDetlef Leistenschneider machte seine Ausbildung zum Musicaldarsteller an der Hochschule der Künste in Berlin. Er stand noch während des Studiums in Düsseldorf und Berlin auf der Bühne, bevor er unter anderem in Mainz, Essen und Hamburg engagiert war. Zu seinen Rollen zählen unter anderem Frank´N´Furter in der "Rocky Horror Show", Conferencier in "Cabaret", Riff in "West Side Story" und Inspektor Javert in "Les Miserables". In der Stage-Entertainment-Produktion "Elisabeth" stand er als Zweitbesetzung des Luigi Lucheni und Kaiser Franz-Josef auf der Bühne, in der Hamburger und Berliner "Mamma Mia"-Produktion spielte er Harry Beck, einen der möglichen Väter und im "Schuh des Manitu" im Theater des Westens in Berlin sah man ihn als Griechen Dimitri. Neben seinem Engagement bei "Sister Act" im Operettenhaus Hamburg , wo er unter anderem den Mafia-Boss Curtis Shank spielte, konnte man ihn auch am Staatstheater Kassel in Stephen Sondheims "Into the Woods" als Bäcker sehen. Zuletzt spielte er in "Rocky - Das Musical " unter anderem die gleichnamige Titelrolle. red

 Detlef Leistenschneider im Jahr 2000 als Frank'n'furter in der „Rocky Horror Show“ im Zeltpalast in Merzig. Foto: Ruppenthal

Detlef Leistenschneider im Jahr 2000 als Frank'n'furter in der „Rocky Horror Show“ im Zeltpalast in Merzig. Foto: Ruppenthal

Foto: Ruppenthal

Zum Thema:

Auf einen Blick"Das Wunder von Bern " erzählt die Geschichte der Familie Lubanski und die der deutschen Fußball-Nationalmannschaft während der Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz. Während Fritz Walter , Helmut Rahn und Co. um den Titel kämpfen, kämpft der Spätheimkehrer Richard Lubanski damit, sich wieder in seinem Leben zurecht zu finden. Nicht nur, dass er mit Matthias einen Sohn hat, von dem er bisher noch nichts wusste. Er kann auch nur schwer akzeptieren, dass seine Familie auch ohne ihn eine Existenz aufgebaut hat. Erst nach und nach findet er wieder zu sich und zu seiner Familie. Und Deutschland wird Weltmeister. Sönke Wortmann verflmte die Geschichte im Jahr 2003 mit Peter Lohmeyer in der Rolle des Richard Lubanski. him

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