Warten auf den Neuanfang

Lebach · 2500 Flüchtlinge leben derzeit in der Landesaufnahmestelle in Lebach. 150 Helfer sorgen dafür, dass dort alles – einigermaßen – glatt läuft. Doch der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab. Innenminister Bouillon warnt vor einer „nationalen Katastrophe“.

 Helfer des Roten Kreuzes bringen Pritschen für die beiden Großzelte, die bis Anfang nächster Woche errichtet werden sollen. Auch die Flüchtlinge packen mit an. Fotos: Rolf Ruppenthal

Helfer des Roten Kreuzes bringen Pritschen für die beiden Großzelte, die bis Anfang nächster Woche errichtet werden sollen. Auch die Flüchtlinge packen mit an. Fotos: Rolf Ruppenthal

Auf den Straßen der Landesaufnahmestelle in Lebach herrscht reges Treiben: Familien mit Kinderwagen gehen spazieren, Männer stehen in Grüppchen beisammen, einer dreht auf einem quietschenden Rad die immer gleiche Runde. Was will man auch tun, wenn man Wochen, manchmal sogar Monate mit Warten verbringt - um vielleicht am Ende ein neues Leben in Deutschland beginnen zu können?

"2400 oder 2500 Flüchtlinge sind im Moment hier", sagt Innenminister Klaus Bouillon (CDU ). So genau weiß das keiner, die Zahl ändert sich stündlich, der Ansturm reißt nicht ab. Bouillon rechnet in den kommenden Monaten mit jeweils 3000 Neuankömmlingen. Das Saarland ist eine beliebte Anlaufstelle, hier werden die Asylanträge innerhalb von Wochen bearbeitet, in anderen Bundesländern dauert es Monate. "Bis Ende September sind wir gerüstet", sagt Bouillon, aber: "Auf Dauer kann das keine ehrenamtliche Organisation lösen, wir brauchen die Bundeswehr ." Die liefert nun zwar 200 Betten, doch Bouillon will, dass sie auch bei der Verpflegung und der medizinischen Versorgung hilft. Er ist überzeugt: "Wir steuern auf eine nationale Katastrophe zu." Zwei bis drei Milliarden Euro müsse der Bund zur Verfügung stellen, alleine könnten die Länder des Flüchtlingsansturms nicht Herr werden. Ein kleiner Junge auf einem Dreirad fährt ihm lachend zwischen die Füße. Hier ist Bouillon nicht der Minister, sondern ein Mann, der organisiert und hilft.

1800 Menschen leben in den Häusern, vor deren Balkonen rote Geranien und Satellitenschüsseln hängen. Fast könnte man sich in einer deutschen Stadt wähnen, wären da nicht die weißen Zelte, in denen die restlichen Flüchtlinge notdürftig untergebracht sind. Am Wochenende werden sie abgebaut und durch zwei große Zelte ersetzt. Wenn die kühlen Tage kommen, sollen die Menschen Unterkünfte mit festem Boden und Heizung haben.

Der Syrer Majdi Dawod ist seit gut einer Woche hier, er ist ungeduldig: Er will endlich seinen Asylantrag stellen, in eine Wohnung ziehen und sich Arbeit als Elektrotechniker suchen: "Es geht alles so langsam voran." Doch die Verwaltung kann nur rund 70 Anträge pro Tag erfassen, die Mitarbeiter arbeiten am Anschlag. Dawod würde auch gern seine Kleidung waschen, aber das ist bislang nur in den Häusern möglich, nicht für die Flüchtlinge in den Zelten. An der einen oder anderen Stelle hakt es also noch, aber Dawod sagt: "Hauptsache, ich bin in Sicherheit."

In einem bunten Spielzelt toben Kinder, malen, spielen, lassen sich von Ehrenamtlern die Gesichter schminken. Das Zelt hat sich Bouillon kurzerhand von der Stadt St. Wendel ausgeliehen. Vor kurzem wurde auch eigens ein Zelt für Frauen errichtet, als klar wurde, dass es für viele undenkbar ist, vor fremden Männern ihre Babys zu stillen oder sich umzuziehen. Auch ein Hebammen-Container kam hinzu, initiiert vom Verein "Surgical Mission Saarland", der nun, unterstützt vom Sozialministerium, zwei Mal pro Woche eine Sprechstunde abhält. "Der Bedarf ist enorm", sagt Hebamme Astrid Kany. Ungefähr 40 Frauen sind schwanger, wenn nicht mehr. Das erste "Lager-Baby" wurde vor wenigen Tagen geboren.

Etwa 150 Ehrenamtliche und Freiwillige helfen in Lebach , wo sie nur können, sortieren Kleiderspenden, dolmetschen, helfen bei der Essensausgabe. Uwe Weisenseel koordiniert die Arbeit der Helfer, jeden Tag ist er mindestens 16 Stunden hier. Er hat auch die Facebook-Seite "Hilfe für Flüchtlinge im Aufnahmelager Lebach " ins Leben gerufen, der sich schon 1800 Menschen angeschlossen haben (siehe unten). "Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist überwältigend", sagt er.

Majdi Dawod sitzt derweil wieder auf seiner Pritsche im Zelt und winkt zum Abschied. Er sieht zuversichtlich aus.

 Uwe Weisenseel hilft jeden Tag 16 Stunden ehrenamtlich in der Aufnahmestelle mit.

Uwe Weisenseel hilft jeden Tag 16 Stunden ehrenamtlich in der Aufnahmestelle mit.

Zum Thema:

Am RandeIn den Bundeswehr-Kasernen in Lebach , Saarlouis und Merzig sollten nach Ansicht des Linken-Bundestagsabgeordneten Thomas Lutze Flüchtlinge untergebracht werden. Dort gebe es freie Kapazitäten. "Wenn die Bundeswehr neben der Landesverteidigung einen Sinn darstellen soll, dann sollte sie in der jetzigen angespannten Situation angemessen reagieren", teilte Lutze mit. Dazu gehöre auch, dass beispielsweise Küche und Wäscherei benutzt werden könnten. Die Lieferung von 200 Feldkrankenbetten in die Landesaufnahmestelle sei "nur ein Tropfen auf den heißen Stein". red Das Rote Kreuz warnt vor falschen Informationen, die in sozialen Netzwerken kursieren. So wird behauptet, man solle der Landesaufnahmestelle fernbleiben, weil dort Infektionskrankheiten ausgebrochen seien. "Das ist Quatsch und der schäbige Versuch, die Hilfe zu schmälern", so das DRK. Es gebe zwar auch Infekte in Lebach , so wie überall auf der Welt. Aber die medizinische Abdeckung sei gut. Es seien ständig Ärzte vor Ort. red

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