„Noch ein weiter Weg zur Heilung von Parkinson“

Luxemburg · Ungefähr 0,2 Prozent der Bevölkerung sind an Parkinson erkrankt, im Saarland also rund 2000 Menschen. In Luxemburg erforscht ein weltweit führendes Institut diese Erkrankung. Geleitet wird es von Professor Rudi Balling, der aus Daun in der Eifel stammt. Nach Stationen in Bonn, Aachen, Toronto, Göttingen, Freiburg, München, Braunschweig und Boston baute er 2009 in Luxemburg das Zentrum für Systembiomedizin auf. Mit dem 62-Jährigen, der am 24. September bei dem Symposium „Jung und Parkinson“ in Saarlouis referiert, sprach SZ-Redakteur Daniel Kirch.

 Umgeben von ehemaligen Hochöfen forschen 230 Wissenschaftler auf dem Campus Belval in Esch unter anderem an Parkinson. Weltweit gibt es kaum vergleichbare Institute. Fotos: ScienceRelations

Umgeben von ehemaligen Hochöfen forschen 230 Wissenschaftler auf dem Campus Belval in Esch unter anderem an Parkinson. Weltweit gibt es kaum vergleichbare Institute. Fotos: ScienceRelations

Herr Professor Balling, was passiert bei Parkinson im Körper?

Balling: Parkinson ist eine Alterserkrankung. Sie tritt in über 95 Prozent der Fälle erst bei Menschen ab 65 Jahren auf. Ein ganz kleiner Teil der Gehirnzellen funktioniert nicht mehr richtig oder stirbt sogar ab. Das sind die Zellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren, der dafür verantwortlich ist, dass Nervensignale aus dem Gehirn an die Muskeln übertragen werden und man die Muskeln koordiniert bewegen kann. Parkinson-Patienten gehen deshalb oft ganz langsam, unsicher, gebeugt. Viele Patienten, aber nicht alle, fangen an zu zittern.

Sie sind am 24. September zu Gast bei "Jung und Parkinson" in Saarlouis. Es gibt also auch junge Parkinson-Patienten?

Balling: In der übergroßen Zahl der Fälle weiß man nicht, woher die Parkinson-Erkrankung kommt. Es gibt aber etwa fünf Prozent, da ist es familiär bedingt, es gibt also eine genetische Veranlagung. In diesen Fällen bekommen die Patienten Parkinson oft schon mit 40 Jahren, ganz selten in einem noch jüngeren Alter. Man kann es auch erwerben durch Umweltschadstoffe oder durch Zufall. Viele Gründe, warum jemand Parkinson kriegt, kennen wir aber noch nicht.

Mit welchem Ziel kommen Sie nach Saarlouis?

Balling: Die Patienten haben einen enormen Bedarf, mit Wissenschaftlern zu reden: Woher kommt das, was gibt es an Neuigkeiten, können wir uns untersuchen lassen, damit Parkinson besser verstanden wird? Deshalb ist das toll, was "Jung und Parkinson" macht. Die erklären uns, was ihre Probleme sind, das weiß der Forscher ja nicht. Ich war mal in einer Veranstaltung, da stand einer auf und sagte: Ich muss im Kino am Rand sitzen - wenn ich anfange zu zittern, muss ich aufstehen und herumlaufen. Da denkt keiner drüber nach.

Was ist das Besondere an Ihrem Zentrum?

Balling: Wir schauen uns nicht nur einzelne Zellen oder Organe an, sondern wie die alle zusammenarbeiten. Man hat in den letzten 50 Jahren alles auseinandergebaut, zum Beispiel Flugzeuge in seine Einzelteile zerlegt. Aber wie das Flugzeug als Ganzes fliegt, das kriege ich zum Beispiel nur im Windkanal heraus. Man schickt ja keine 1000 Flugzeuge hoch und schaut, welche abstürzen, sondern es wird modelliert und am Computer simuliert. In der Medizin hat man das bisher nicht gemacht. An unserem Institut haben wir deshalb nicht nur Ärzte und Biologen , sondern auch Computerwissenschaftler, Informatiker, Mathematiker , Ingenieure und Elektrotechniker. Sie forschen alle gemeinsam.

Ohne falsche Bescheidenheit: In welcher Liga spielt Ihr Zentrum?

Balling: In der Champions League! Wir sind ganz oben.

Gibt es etwas Vergleichbares in Deutschland?

Balling: In dieser Art nicht. Am ehesten vergleichbar sind Institute in Boston und Stanford. Dort wird auch fächerübergreifend geforscht. Der Gedanke der Interdisziplinarität kommt aber massiv. Wenn ich Parkinson studiere und Daten erhebe, dann geht es auch um das Thema Schutz der Daten, was will ich überhaupt von jemanden wissen, was darf ich wissen, die ganze Verantwortungsethik spielt mit herein, was kann ich Verwandten zumuten? Es stellt sich auch die Frage, wie unser Gesundheitssystem in Zukunft noch bezahlbar ist, wenn die neurodegenerativen Erkrankungen zunehmen, weil wir alle älter werden. Ich muss also als Grundlagenforscher zukünftig auch mit Geisteswissenschaftlern, Philosophen und Sozialwissenschaftlern reden.

Gibt es Fortschritte bei der Erforschung von Parkinson?

Balling: Man muss bescheiden bleiben. Parkinson und Alzheimer sind komplexe Erkrankungen. Wenn sie diagnostiziert werden, ist das Kind in den Brunnen gefallen, dann sind die Zellen schon abgestorben. Wir legen Wert auf Früherkennung, damit wir 20 Jahre, bevor die Symptome ausbrechen, schon sagen können: Hier ist jemand gefährdet. Dann kann man präventiv vielleicht noch etwas machen. Wir fangen an zu verstehen, welche Gründe zu Parkinson führen, geheilt haben wir noch keinen einzigen Patienten. Das muss man offen und ehrlich sagen, das ist noch ein weiter Weg.

Zum Thema:

 Der Direktor des Zentrums, Professor Rudolf Balling, stammt aus Daun in der Eifel.

Der Direktor des Zentrums, Professor Rudolf Balling, stammt aus Daun in der Eifel.

Auf einen Blick Auf dem Uni-Campus Belval erforschen 230 Wissenschaftler Parkinson, Epilepsie, Diabetes, Krebs und andere Erkrankungen. Die Hälfte der Mitarbeiter kümmert sich um Parkinson. Darunter sind nicht nur Ärzte und Biologen , sondern auch Informatiker, Mathematiker , Ingenieure und Elektrotechniker aus aller Welt. Das Luxemburger Zentrum für Systembiomedizin ist weltweit führend. Der Staat Luxemburg hat bereits rund eine Milliarde Euro in den neuen Uni-Standort Belval gesteckt. Die Universität Luxemburg wurde 2003 gegründet. Sie hat rund 6000 Studenten. Sie setzt auf zukunftsträchtige Schwerpunkte wie Finanzen, Europäisches Recht, Sprachen, IT und Biomedizin. Das Luxembourg Centre for Systems Biomedicine entstand 2009. kir

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