Die mit den Schafen lebt

Schönberg/Trier · Lisa Vesely ist eine der wenigen Wanderschäferinnen in Rheinland-Pfalz. Sie erzählt, was sie bewogen hat, diesen Beruf zu ergreifen. Eine Sorge treibt sie besonders um.

 Idyllisches Bild: Schafe gönnen sich bei Schönberg ein Sonnenbad. Fotos: Hans-Peter Linz

Idyllisches Bild: Schafe gönnen sich bei Schönberg ein Sonnenbad. Fotos: Hans-Peter Linz

Der Weg ist nicht auf dem Navi zu finden. "Sie nehmen den Promilleweg zwischen Neunkirchen und Talling, einmal rechts, und dann immer geradeaus", beschreibt Wanderschäferin Lisa Vesely die Anfahrt über Feldwege zu ihrem aktuellen Standort auf der Gemarkung Schönberg. Sie vergisst auch nicht, auf das eher bescheidene Wetter der vergangenen Wochen hinzuweisen: "Es könnte kalt und regnerisch sein, Sie müssen wetterfeste Kleidung mitbringen." Die Wanderschäferei ist eben ein Beruf für Menschen, die bei Wind und Wetter draußen sein wollen. Als es soweit ist, spielt das Wetter aber mit. Der erste milde frühlingshafte Tag im Jahr: Sonnenschein, blauer Himmel. Bilderbuchwetter. Die Fahrt führt an Wiesen und kleinen Waldstücken vorbei. Dann sind die ersten Schafe zu sehen, die in einem Tal grasen, durch das der Tallinger Bach führt: ein malerisches Bild.

Lisa Veselys altdeutsche Hütehunde Bello und Maia kommen schwanzwedelnd zum Auto gelaufen. Mit 28 Jahren ist die gebürtige Triererin eine der wenigen Wanderschäferinnen in Rheinland-Pfalz. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Großvater betreut sie eine 700 Schafe zählende Herde. Die Hälfte der Herde gehört ihr. "Ich bin da hineingeboren worden, bin mit Schafen aufgewachsen, und es war einfach naheliegend, den Beruf in der Familie weiterzuführen", sagt die Schäferin, die vor drei Jahren nach Deuselbach gezogen ist. Das Gebiet, in dem ihre Schafe unterwegs sind, reicht von Konz über Trier bis in den Hunsrück. "In diesen Landschaften bin ich aufgewachsen, das ist für mich ein Stück Heimat", sagt Vesely. Man lebe im Einklang mit der Natur, die einem auch etwas zurückgibt.

Die Schafe seien sommers wie winters draußen. Während man im Herbst und Frühjahr grundsätzlich über alle verfügbaren Flächen wandern könne, müssen im Sommer Wiesen gepachtet werden. "Von Allerheiligen bis April macht der Schäfer, was er will", lautet ein alter Spruch. Denn in dieser Zeit können die Wiesen genutzt werden.

Es sei natürlich schon geboten, die Landwirte vorher zu fragen, aber vieles spiele sich ein. "Die Bauern kennen einen, denn wir kommen schon seit Jahrzehnten", sagt Vesely. Und so braucht die Wanderherde etwa eine Woche auf ihrem Weg von Konz nach Talling. Während die Herde also im Winter in einem größeren Umkreis umherzieht, ist sie in den Sommermonaten eher um Konz und Trier zu finden, wo entsprechende Flächen gepachtet sind.

Dabei gebe es immer mehr Konkurrenz, erzählt sie. Während früher der Trierer Petrisberg viele Flächen bot, ist das Gelände nun kaum mehr verwendbar - seit 2004 ist dort ein großes Neubaugebiet. "Es werden immer weniger Flächen, und die Pachtpreise steigen", sagt Vesely. Zudem steige die Nachfrage nach Pferdekoppeln. "Und wenn jemand Geld für sein Hobby ausgibt, dann ist er oft bereit, mehr zu zahlen als jemand, der damit sein Geld verdient."

Nach ihrem Fachabitur in Trier hat Lisa Vesely den Gesellenbrief gemacht und eine Fachschule in Bayern besucht. Seit drei Jahren ist die "Tierwirtschaftsmeisterin Fachrichtung Schäferei" nun selbstständig. Wie hat das Geschäft sich entwickelt?

"Das meiste Geld wird in der Schäferei mit Schlachtungen verdient. Der Verkauf von Wolle deckt gerade die Kosten für das Scheren der Schafe", antwortet sie. Die Schlachtungen übernimmt ein darauf spezialisierter Betrieb, an den sie die Schafe verkauft.

"Das ist mir auch lieber so, denn man hat schon eine emotionale Bindung zu den Tieren." 130 Schafen hat sie sogar Namen gegeben. Die Tiere werden in ihrer Herde bis zu zwölf Jahre alt. Das sei über dem Durchschnitt von acht Jahren, aber Vesely ist es auch wichtig, dass die Tiere ein angenehmes Leben haben.

Wie der Arbeitsalltag aussieht? "Morgens werden junge Lämmer oder kranke Tiere im Stall versorgt. Dann geht es mit dem Auto auf die Weide, wo die Schafe stehen. So ein Tag fängt um 7 Uhr an und endet abends gegen 19 Uhr, manchmal dauert es auch länger", sagt sie. Man müsse immer in Bereitschaft sein, etwa um mitten in der Nacht ein ausgebrochenes Schaf einzufangen. Über Nacht werden die Schafe mit einem portablen Zaun eingefriedet. "Das ist kein Beruf. Das ist ein Leben, für das man sich ganz bewusst entscheiden muss", sagt sie.

Was sie davon halte, dass manche Gruppierungen den Wolf wieder in Deutschland ansiedeln wollen? "Davon halte ich gar nichts. Wolfsrudel reißen manchmal im Blutrausch bis zu 20 Tiere. Es gibt schon erste Probleme in Ostdeutschland", weiß sie zu berichten. Um sich effektiv vor Wölfen zu schützen, brauche man zusätzliche Herdenschutzhunde. Dabei rechne man einen Hund auf 100 Schafe. Zudem benötigt jeder dieser Hunde, da sie auch über Nacht bei der Herde bleiben, eine separate Hundehütte. Das schreibe der Tierschutz vor. Das sei alles bei gleichem Personalbestand und auch finanziell nicht machbar. "Wenn der Wolf kommt, dann ist das das Ende der Wanderschäferei im größeren Stil in Deutschland", stellt Vesely fest. Wer eine kleinere Herde um die 200 Tiere habe, könne dem Wolf vielleicht noch eine Zeitlang standhalten.

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 Lisa Vesely ist aus Überzeugung Wanderschäferin.

Lisa Vesely ist aus Überzeugung Wanderschäferin.

Schäferei Ingesamt 80 Betriebe gibt es in Rheinland-Pfalz, in denen die Schäferei im Vollerwerb betrieben wird, erklärt Rainer Wulff von der rheinland-pfälzischen Landwirtschaftskammer in Koblenz. Fünf Betriebe werden dabei von Frauen geführt. Die Mehrheit der Betriebe seien ortsgebunden. Dort werden die Schafe in Ställen und auf fest eingezäunten Koppeln gehalten. Die Zahl der Wanderschäfereibetriebe liegt bei etwa 15. Von Wanderschäferei wird dann gesprochen, wenn eine Herde über mehrere Kreise hinweg geführt wird. Auch wenn der Frauenanteil bei den Haupterwerbsbetrieben sehr gering sei, stellt Wulff doch fest, dass im Land die Zahl der Prüfungen von Gesellinnen zugenommen habe. Es gebe weitere Betriebe, die im Nebenerwerb geführt werden, neben Schafen auch Ziegen für die Käseherstellung. In diesem Bereich wachse die Zahl an Frauen, so Wulff.

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