Gute Ideen, aber zu wenig Geld „Wir brauchen kein Nebeneinander, sondern ein Miteinander“

Birkenfeld · Der Birkenfelder Landrat Matthias Schneider kritisiert die mangelnde Finanzausstattung des Nationalparks.

 Beeindruckende Ausblicke bietet eine Wandertour im Nationalpark. Ab April soll es, ausgehend vom Hunsrückhaus am Erbeskopf, regelmäßige Rundgänge mit einem der Ranger geben. Foto: Bonenberger

Beeindruckende Ausblicke bietet eine Wandertour im Nationalpark. Ab April soll es, ausgehend vom Hunsrückhaus am Erbeskopf, regelmäßige Rundgänge mit einem der Ranger geben. Foto: Bonenberger

Foto: Bonenberger

In knapp drei Monaten feiert der Nationalpark Hunsrück-Hochwald seinen zweiten Geburtstag. Wie der Sachstand in dem Naturschutzgebiet ist und was es zu tun gilt, das spricht der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU) aus.

Fast zwei Jahre Nationalpark - wie sieht Ihre erste Bilanz aus?

Udo Recktenwald: Ein Nationalpark als Schutzgebiet weitestgehend frei von menschlichen Eingriffen braucht 25 bis 30 Jahre Entwicklung. Wichtig ist jedoch bereits jetzt, Regionalentwicklungsprozesse anzustoßen - dies sind natürlich langfristige Prozesse, die nicht auf Knopfdruck umgesetzt werden können. Glücklicherweise findet diese Regionalentwicklung bei uns schon seit vielen Jahren statt: die Entwicklung des Tourismus ausgehend vom Bostalsee, die Aktivitäten der Kulturlandschaftsinitiative und vieles mehr. Insofern ergänzt der Nationalpark hervorragend unsere ökologischen und ökonomischen Ansätze. Daher haben wir uns, obschon lediglich etwa zehn Prozent des Nationalparks in unserer Region liegen, von Anfang an aktiv beteiligt. Der Nationalpark ist auch für uns ein wichtiger Baustein für den Tourismus, aber auch für unsere ökologischen Ansprüche. An der Bosener Mühle gibt es eine Info-Stelle zum Nationalpark, auch im vor wenigen Wochen eröffneten Nationalpark-Café in Nohfelden ist eine. Der Nationalpark soll aufgenommen werden in unser Tourismuskonzept, auch wird am 11. Juni an unserem Bostalsee das Nationalparkfest stattfinden. Das Nationalparktor ist der nächste Schritt.

Wie klappt die Zusammenarbeit mit dem Nachbarkreis Birkenfeld und mit dem Land Rheinland-Pfalz?

Recktenwald: Der Landkreis St. Wendel sowie die Gemeinden Nohfelden und Nonnweiler sind kooptierte Mitglieder des Regionalentwicklungsvereins Hunsrück-Hochwald. Dieser soll für eine abgestimmte Regionalentwicklung der Nationalparkregion sorgen. Da dieser Verein erst am Anfang steht, profitiert er natürlich von unserer jahrelangen Erfahrung und Netzwerken im Bereich Regionalentwicklung - mit anderen Worten: Wir bringen unsere Erfahrungen ein, sorgen für Wissenstransfer, was gerne angenommen wird. Die Kooperation mit Birkenfeld ist sehr vertrauensvoll.

Welche Schritte sollten Ihrer Meinung nach als nächstes folgen?

Recktenwald: Wir müssen auf der operativen Ebene die Zusammenarbeit in der Nationalparkregion noch verstärken. Bereits diskutiert werden etwa einheitliche Standards im Gastro-Bereich. Gut ist auch, dass ein Masterplan zur Regionalentwicklung der Nationalparkregion entwickelt wird - übrigens wird auch hier von unserer Erfahrung in diesem Gebiet profitiert. Ebenfalls zu begrüßen ist die geplante Spiegelung unseres Bildungs-Netzwerkes auf der gegenüberliegenden Seite. Wichtig ist, dass das Nationalparkamt seine Prozesse sowohl mit den Regionen als auch mit dem Naturpark Saar Hunsrück abstimmt. Es darf kein Nebeneinander mit Parallelstrukturen geben, wir brauchen das Miteinander und Ineinandergreifen der Strukturen und Aktivitäten. Hier sehe ich uns auf einem guten Weg.

Wie sehen die Planungen in Sachen Nationalpark-Tore aus?

Recktenwald: Für uns ist klar: Der Keltenring bei Otzenhausen ist das südliche Eingangstor in den Nationalpark. Neben der Entwicklung des Keltenparks als unser Alleinstellungsmerkmal soll ein Besucherzentrum entstehen. Jedoch ist die Finanzierung von Bau und Betrieb noch in der Abstimmung. Angesichts der Tatsache, dass der Nationalpark ein Projekt der Bundesländer ist, sehe ich das zuständige Ministerium in der Pflicht, den Bau zu finanzieren und sich auch gemeinsam mit Gemeinde und Landkreis am Betrieb zu beteiligen. Wir als Landkreis sind gewillt, im Betrieb unseren Beitrag zu leisten, vorausgesetzt der Zustimmung des Kreistages. Allein gelassen von der Landesregierung - das fühlt sich der Birkenfelder Landrat Matthias Schneider (CDU). Und das ausgerechnet beim Prestigeprojekt des Landes - dem Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Seine Kritik betrifft die finanzielle Ausstattung genauso wie die Bürokratie, die in vieler Hinsicht bremse. Den Landkreis St. Wendel, der mit den Gemeinden Nohfelden und Nonnweiler am Nationalpark beteiligt ist, nennt Schneider in diesem Zusammenhang vorbildlich.

In Rheinland-Pfalz sehe das anders aus: "Das Verständnis für den Nationalpark ist nicht mehr so wie vor der Landtagswahl", kritisiert Schneider. Einerseits sei das der Neuverteilung der Aufgaben in den Ministerien zuzuschreiben. Andererseits sei es, so Schneider, auch eine Einstellungssache. Er habe den Eindruck, es habe sich eine "Kommst du heut' nicht, kommst du morgen"-Mentalität eingeschlichen.

Dass der Nationalpark Zeit brauche, das war von Anfang an klar. Zeit, um zu wachsen, um sich zu entwickeln. Aber strukturpolitisch, so Schneider, dürfe man sich keine Zeit lassen. Die Regionalentwicklung müsse jetzt gefördert werden, sagt Schneider: "Aber wir haben kein Geld, um den Nationalpark inhaltlich auszugestalten." Die mangelnde Finanzausstattung, daran ziehe sich alles auf, sagt Schneider. Anspruch und Wirklichkeit der Landesregierung passten da nicht zusammen. Bei der Planung des Nationalparks sei vorgesehen gewesen, bei Bedarf etwa zwei Millionen Euro aus dem Fördertopf für private Projekte in der Nationalparkregion zur Verfügung zu stellen. Das sei bei weitem nicht geschehen.

Dabei kritisiert er unter anderem die Vergabepraxis bei Zuschüssen im Leader-Programm der Europäischen Union. Viele Anträge aus der Privat-Wirtschaft seien nicht einmal bearbeitet worden. Bei anderen seien die Auflagen so hoch gewesen, dass die potentziellen Investoren ihre Anträge zurückzogen. Für "Barrieren, die nicht nachvollziehbar sind", hat Schneider ein Beispiel parat: Für Projekte, für die bis zum Frühjahr noch nicht einmal eine Zusage vorgelegen habe, sollte bis November des gleichen Jahres eine Endabrechnung vorliegen. "Das ist einfach unmöglich", sagt Schneider. Ein anderes Beispiel: Einige Projekte scheiterten daran, dass die EU Vergleichsangebote und damit einhergehend Kostenaufstellungen verlange. Schneider schaut wieder in den Landkreis St. Wendel und fragt sich: "Lebt das Saarland in einer anderen EU?"

Im St. Wendeler Land würde mit Förderanträgen viel unbürokratischer umgegangen. Ähnlich wie im St. Wendeler Land, soll auch im Kreis Birkenfeld ein Bildungsnetzwerk aufgebaut werden. Dabei arbeite Birkenfeld mit der Kulturlandschaftsinitiative St.Wendeler Land (Kulani) zusammen.

Schneider sieht aber auch Lichtblicke. So werde nun endlich, wie im Staatsvertrag festgehalten, ein Masterplan für die Nationalpark-Region gefördert. Zu 100 Prozent. Zum 1. März hat ein Masterplan-Manager, der die Aktionen im Park bündeln und vernetzen soll, seine Arbeit aufgenommen.

Schneider hofft, dass es auch in anderen Bereichen zügig vorangeht. Unter anderem wünscht er sich, dass die Nationalpark-Tore "vernünftig gestaltet werden". Und auch für das Nationalpark-Amt wünscht sich Schneider möglichst schnell eine neue Unterkunft. Derzeit arbeiten die Mitarbeiter in einer ehemaligen Kaserne. Sie sollen aber, geht es nach Schneider, in den Umwelt-Campus umziehen.

Auf SZ-Nachfrage beim rheinland-pfälzischen Umweltminsiterium, schreibt die Pressestelle zu diesem Thema folgende Antwort: "Das Nationalparkamt wird seinen Sitz in der Verbandsgemeinde Birkenfeld beziehen. Die saarländische Außenstelle wird in Nonnweiler eingerichtet. Die konkreten Optionen für eine Unterbringung des Verwaltungssitzes werden derzeit durch den Landesbetrieb Liegenschaften und Baubetreuung (LBB) im Auftrag des Finanzministeriums untersucht." Wann genau das Tor gebaut wird, auf diese Frage antwortete das Ministerium nicht. Allerdings schilderte die Pressestelle einen Zeitplan, was für die nächste Zeit in Sachen Nationalpark geplant ist. Als Nationalpark-Tore sind das Hunsrückhaus am Erbeskopf, das Wildfreigehege Wildenburg bei Kempfeld und der Keltenpark in Otzenhausen vorgesehen. In Rheinland-Pfalz wird mit dem Hunsrückhaus am Erbeskopf begonnen. Ab April 2017 sind Nationalparkranger fest am Hunsrückhaus stationiert. Mit Saisonbeginn biete das Nationalparkamt dort täglich vormittags einen Rangertreff und mittags einen Rangerspaziergang an. Beim Rangertreff erhalte der Besucher einen Überblick über die Besonderheiten des Nationalparks Hunsrück-Hochwald, mit wechselnden Themen wie Moor-Renaturierung, Buchenwälder oder auch Kelten.

Zum Thema:

 St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU). Foto: B&K

St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU). Foto: B&K

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Rheinland-Pfälzisches Ministerium listet Leader-Vorhaben auf Bewilligte rheinland-pfälzische Leader-Vorhaben in der Nationalparkregion: Birkenfelder Biomarkt, Neugestaltung des "Samuel-Hirsch-Platzes" in der Ortsgemeinde Thalfang, Haus am Schwollbach - Hofschule und Käsewerkstatt in der Ortsgemeinde Wilzenberg-Hußweiler, Marienhöh Berg-Chalets am Tor zum Nationalpark, barrierefreie Chalets Campingplatz Harfenmühle in Mörschied, Kauf und Inwertsetzung Krackesmühle in der Ortsgemeinde Berglicht, Imagefilm Stadt Idar-Oberstein, Marketingkooperation Stadt Idar-Oberstein mit der VG Herrstein, Erstellung eines Masterplans Regionalentwicklung für die Nationalparkregion. Beantragte rheinland-pfälzische Leader-Vorhaben: Errichtung einer Waldlehrwerkstatt in der Stadt Hermeskeil, Inwertsetzung des Dorfmittelpunktes in der Ortsgemeinde Gielert, Erstellung eines dörflichen Sanierungskonzeptes zum Erhalt des Ortskerns der Ortsgemeinde Naurath/Wald, Errichtung eines kulturhistorischen Infoweges über alte Landnutzungen in der Ortsgemeinde Lückenburg, Markthalle Veitsrodt, Dorftreff Hettenrodt, Attraktivierung des Dorfladens.

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