Etappensieg für Atom-Gegner in Bure

Bure · Ein Gericht in Nancy hat die Vergabe des Waldes an die Atommüllbehörde für rechtswidrig erklärt. Das hat Konsequenzen für den Bau des Endlagers.

Der Jubel war gestern groß bei den Atom-Gegnern in Lothringen. Denn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Nancy legt die Bauprojekte für ein Atommüllendlager in Bure erstmal auf Eis. Im Dezember 2015 hatten vier Bewohner des Dorfes Mandes-en-Barrois gegen die Vergabe eines Waldstückes an die französische Atomaufsichtsbehörde Andra geklagt. Die Andra braucht das Gelände für den Bau von Zugangswegen und Lüftungsschächten für das künftige Atomendlager. Und so bot sie vor einigen Jahren der Kommune von Mandes-en-Barrois einen Tausch an: das städtische Bois Lejuc gegen ein anderes Waldstück. Der Bürgermeister war dafür, brauchte aber die Zustimmung des Gemeinderates. "2013 gab es bereits Sondierungsgespräche, und eine Konsultation der Bevölkerung hatte ergeben, dass 50 von 86 Bewohnern dagegen waren, das Waldstück Bois Lejuc der Andra zu übergeben", erinnert sich Charlotte Mijéon vom Netzwerk "Sortir du nucléaire" (deutsch: Raus aus der Atomkraft). Um Ärger zu vermeiden, setzte der Bürgermeister eine Gemeinderatssitzung an einem Juli-Morgen um 6 Uhr an und ließ die Gemeinderäte über den Antrag geheim abstimmen.

Dieses Vorgehen hat das Verwaltungsgericht in Nancy nun für rechtswidrig erklärt. "Die Kammer befindet, dass der Verfahrensfehler, der zu einer Abweichung von der allgemeinen Regel einer öffentlichen Abstimmung führte, die Öffentlichkeit daran hinderte, zu erfahren, wie die jeweiligen Ratsmitglieder abstimmten", teilte das Gericht gestern mit. Durch sein Urteil wurde die Abstimmung von Juli 2015 für nichtig erklärt. Für die Atomgegner ist diese Entscheidung ein wichtiger Erfolg. Denn solange die Besitzverhältnisse um den Bois Lejuc nicht eindeutig geklärt sind, sind die Vorarbeiten für das Atomendlager de facto auf Eis gelegt. "Die Andra hat keine Berechtigung mehr, Aktivisten aus dem Wald zu verjagen und die Bauarbeiten voranzutreiben", freut sich das Netzwerk "Sortir du nucléaire". In der Tat wird der Wald seit Beginn der Arbeiten von Atomgegnern besetzt, die sich regelmäßig ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei liefern (wir berichteten).

Doch ganz vom Tisch ist das Endlager-Projekt in Bure nicht. Das Gericht hat der Kommune von Mandes-en-Barrois vorgeschrieben, innerhalb von vier Monaten eine neue öffentliche Abstimmung zu organisieren. "Jetzt haben die Bewohner wieder das Schicksal des Bois Lejuc in der Hand", meint Charlotte Mijéon. Die Atomgegner hoffen, dass der öffentliche Druck zu einer Ablehnung des Waldtausches durch den Gemeinderat führt. Dies würde das gesamte Vorhaben tatsächlich ernsthaft gefährden.

Die Atommüllbehörde Andra hielt sich gestern über die Auswirkungen des Gerichtsurteils aus Nancy bedeckt. Sicher ist aber, dass die Justiz ihren Zeitplan bremst. Dass die Andra unter diesen Bedingungen wie geplant bereits 2018 den Antrag auf Betriebserlaubnis einreicht, erscheint als wenig plausibel. Außerdem laufen zurzeit weitere rechtliche Auseinandersetzungen zwischen der staatlichen Betreibergesellschaft und Anti-Atom-Organisationen.

Im Zuge des Wahlkampfs um die Präsidentschaft in Frankreich ist Bure jetzt auch auf nationaler Ebene wieder ein Thema. Um die Unterstützung des Grünen-Politikers Yannick Jadot zu bekommen, der auf eine Präsidentschaftskandidatur verzichtet, hat der sozialistische Bewerber Benoît Hamon das Aus für das Endlagerprojekt in Bure in sein Wahlprogramm aufgenommen. Ebenso haben mehrere Kandidaten aus dem linken Spektrum bereits ihr Kommen im besetzten Wald angekündigt. Der konservative François Fillon und die rechtsextreme Marine Le Pen gelten hingegen als Unterstützer einer atomfreundlichen Politik. Der unabhängige Emmanuel Macron hatte 2015 selbst das Gesetz eingebracht, mit dem sich Frankreich auf Bure als Standort für das Endlager festlegte.

Zum Thema:

Das Projekt in Zahlen Im Endlager sollen ab 2025 80 000 Kubikmeter mittel- und hochradioaktiven Mülls 500 Meter unter der Erde begraben werden. Die Kosten belaufen sich auf rund 40 Millionen Euro.

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