Privatsphäre im Treppenhaus Mieterin beobachtet Mitbewohner rund um die Uhr mit Video-Türspion: Darf sie das?

München · Die Nachbarn als Bedrohung? Mit einer Videoüberwachung rund um die Uhr mussten die Mieter eines Mehrfamilienhauses leben. Die Mitbewohnerin im Erdgeschoss ließ die Kamera durch den Türspion in den Hausflur schauen.

 Blick durch einen Türspion ins Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses. Symbolfoto.

Blick durch einen Türspion ins Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses. Symbolfoto.

Foto: dpa/dpaweb/Rainer Jensen

Die Überwachung des Hausflurs mit einem Video-Türspion verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Mitmietern und Dritten. Das hat das Amtsgericht München klargestellt (Az.: 413 C 26749/13).

Der Fall: Eine Münchnerin hatte an der Eingangstür ihrer Erdgeschoss-Etagenwohnung einen elektrischen Video-Türspion angebracht, da sie Angst vor ihren Etagennachbarn hatte. Der Türspion übertrug tagsüber im "Live-Modus" das Geschehen im Hausflur vor der Wohnungstür auf einen Bildschirm in der Wohnung. Dabei wurden keine Aufnahmen gespeichert. In der Nacht war das Gerät auf "Automatik" geschaltet. Folge: Bei Aktivierung des Bewegungsmelders löste die Videokamera aus und das Geschehen im Flur/Treppenhaus wurde aufzeichnet und gespeichert. Diese Aufnahmen konnten dann auf dem Bildschirm in der Wohnung oder einem Computer angesehen werden. Die Münchnerin sichtete morgens die Aufnahmen der vorangegangenen Nacht und löschte diese, sofern nichts Verdächtiges festgestellt wurde.

Die Kamera wurde Anfang April 2013 von der Vermieterin bei einer Hausbegehung entdeckt. Die Mieterin wurde aufgefordert, die Kamera zu entfernen, da die Überwachung des Hauseingangs einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mitmieter und Besucher darstelle. Die Mieterin war der Meinung, zum Einbau und Betrieb des Türspions berechtigt zu sein, da sie Angst von ihren Nachbarn habe, mit denen sie sich seit Jahren im Streit befinde. Da sie sich weigerte, die Kamera abzubauen, klagte die Vermieterin auf Entfernung der Videokamera.

Die zuständige Richterin gab der Vermieterin Recht. Begründung: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gebe dem Einzelnen einen Anspruch auf Achtung der individuellen Persönlichkeit auch gegenüber einer Privatperson. Es umfasse die Freiheit vor unerwünschter Kontrolle oder Überwachung durch Dritte, insbesondere in der Privat- und Intimsphäre im häuslichen und privaten Bereich. Dieses Grundrecht garantiere den Mitmietern nicht nur die Freiheit, die Wohnung oder das Haus zu verlassen oder zu betreten, ohne dass ein Mitmieter dies stets überwacht und jederzeit feststellen kann. Es beinhaltet darüber hinaus auch das Recht, ungestört und nicht überwacht Besuch zu empfangen.

Eine ständige Überwachung des Hausflures, der Hauseingangstür oder anderer gemeinschaftsbezogener Flächen sei vor diesem Hintergrund grundsätzlich unzulässig. Sie wäre nur dann ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn die Überwachung zur Abwehr unmittelbar bevorstehender Angriffe notwendig ist und wenn dieser Gefahr nicht anders begegnet werden kann.

Diese Voraussetzung sei im konkreten Fall aber nicht erfüllt. An der Tür der Frau hätten alle Mitbewohner und deren Besucher vorbei gehen müssen. Die Fertigung und Speicherung von Aufnahmen sei dabei völlig unabhängig von dem Verhalten der gefilmten Person erfolgt. Zudem habe die Mieterin andere Möglichkeiten gehabt, etwaigen Angriffen oder Streitigkeiten mit den Nachbarn zu begegnen. Bei gravierenden Vorfällen bleibe es ihr unbenommen, die Polizei einzuschalten. Sofern es sich um weniger schwerwiegende Vorfälle handele, könne sie selbst sich so zu verhalten, dass die Situation nicht weiter eskaliert.

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