Urteil des Bundessozialgerichts Lust auf Erdbeeren: Wenn Autofahrer auf dem Weg zur Arbeit bremsen, dann ist es kein Arbeitsunfall

Kassel · Es ist Erdbeerzeit. Lecker. Aber Achtung: Wer auf dem Weg zur Arbeit sein Auto abbremst, um Erdbeeren zu kaufen, der riskiert den Schutz seiner Berufsgenossenschaft. Kommt es zu einem Verkehrsunfall, dann gilt dieser nämlich unter Umständen nicht als Arbeitsunfall.

 Ein Korb mit frischen Erdbeeren. Symbolfoto.

Ein Korb mit frischen Erdbeeren. Symbolfoto.

Foto: dpa-tmn/Klaus-Dietmar Gabbert

Ein Stand mit frischen Blumen auf der einen Seite der Straße, auf der anderen kleine Körbchen mit frischen Erdbeeren. Die Sonne scheint und nichts ist einfacher, als auf dem Weg von der Arbeit nach Hause kurz anzuhalten und etwas Schönes mitzunehmen. Niemand kann dagegen etwas sagen. Aber aus Sicht der Justiz macht das kurze Anhalten den Arbeitsweg unter Umständen zur Privatsache. Und wenn es zu einem Unfall kommt, dann gilt dieser eventuell nicht als Wegeunfall und steht nicht unter dem Schutz der Berufsgenossenschaft.

Das Bundessozialgericht in Kassel hat den Schutz von Arbeitnehmern bei Unfällen auf dem Weg zur Arbeit in vielen Fällen konkretisert , beispielsweise zum Einwerfen eines Briefes in einen Briefkasten. In einem Fall aus Süddeutschland (Az.: B 2 U 3/13) ging es um Erdbeeren. Urteil des Bundessozialgerichts: Selbst auf dem direkten Weg zur Arbeit steht ein Arbeitnehmer nicht immer unter dem Schutz der jeweiligen Berufsgenossenschaft. Wenn er beispielsweise sein Auto abbremst, um Erdbeeren zu kaufen, dann macht dieser Wille diesen Teil der Fahrt zu einer Privatangelegenheit. Es handele sich nämlich um keine lediglich geringfügige Unterbrechung, weil der Erdbeerkauf nicht gleichsam nebenher erledigt werden könnte. Kommt es zu einem Unfall, gilt der also nicht mehr als Arbeitsunfall. Es ist demnach entscheidend, was der Betroffene in dem konkreten Moment gerade subjektiv tun will. Bremst er verkehrsbedingt oder wegen eines Tieres auf der Fahrbahn, ist er geschützt. Bremst er aus privaten Gründen, dann ist er nicht geschützt.

Der betroffene Arbeitnehmer war auf dem direkten Heimweg von der Arbeit. Auf einem übersichtlichen Stück einer Ortsdurchfahrt wollte er links in ein Privatgrundstück einbiegen, um dort an einem Verkaufsstand Erdbeeren einzukaufen. Wegen des Gegenverkehrs musste er bis zum Stillstand abbremsen. Nach wenigen Sekunden fuhr ihm ein Auto ins Heck seines Wagens. Der Mann erlitt bei dem Auffahrunfall eine Stauchung und Zerrung der Halswirbelsäule. Er war vier Tage arbeitsunfähig.

Die zuständige Berufsgenossenschaft und das Sozialgericht lehnten die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Begründung: Zum Zeitpunkt des Unfalls sei das Tun des Klägers nicht mehr auf das Zurücklegen des unmittelbaren Wegs von der versicherten Beschäftigung nach Hause gerichtet gewesen. Das Verhalten des Mannes sei vielmehr von privatwirtschaftlichem Interesse getragen gewesen. Dies habe sich auch objektiv im Anhalten und somit der Aufgabe der Weiterverfolgung des Heimwegs niedergeschlagen.

Das Landessozialgericht sah den Fall in zweiter Instanz anders. Seiner Ansicht nach befand sich der Mann noch auf dem versicherten Teil seines Weges. Auf diese objektiv überprüfbare Tatsache komme es an. Dass der Kläger bereits angehalten und damit die Fortbewegung unterbrochen gehabt habe, spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle. Das bloße Anhalten stelle nur eine geringfügige Unterbrechung des versicherten Wegs dar.

Das Bundessozialgericht folgte jedoch in dritter Instanz der Berufsgenossenschaft. Es stellte fest: Der Kläger befand sich im Zeitpunkt des Unfalls nicht mehr unter Versicherungsschutz. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin (hier Wohnung des Klägers) dient, sei die Handlungstendenz des Versicherten. Der Kläger im konkreten Fall habe sein Fahrzeug bis zum Stand abgebremst, um Erdbeeren zu kaufen. Das stehe als rein privatwirtschaftliche Handlung nicht mehr unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung. Begonnen habe der Kläger mit dieser Handlung objektiv in dem Moment, in dem er nach außen hin erkennbar seine subjektive Handlungstendenz in ein von außen erkennbares "objektives" Handeln umgesetzt habe.

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