Arbeitsplatz: Rückfall eines Alkoholikers rechtfertigt nicht seine Kündigung

Saarbrücken/Berlin · Der konkrete Fall betraf einen Betriebselektriker, der nach einer ambulanten Therapie einen Rückfall erlitten hatte. Sein Arbeitgeber hatte ihm daraufhin gekündigt.

Der Rückfall eines vermeintlich trockenen, alkoholkranken Mitarbeiters rechtfertigt nicht ohne weiteres dessen Kündigung. Darauf hat die Rechtsanwaltskammer des Saarlandes hingewiesen. Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg dürfe der Arbeitgeber in einer solchen Situation nicht zu schnell die Flinte ins Korn werfen (Az.: 15 Sa 911/12). "Das Gericht bezweifelt vor allem, dass ein einziger erneuter Alkoholkonsum während einer ambulanten Therapie bei einem an Alkoholsucht leidenden Arbeitnehmer eine negative Prognose für die Zukunft rechtfertigt", so Rechtsanwältin und Justizrätin Gertrud Thiery von der Saarbrücker Anwaltskammer.

. Begründung: Der Mitarbeiter habe wiederholt gezeigt, dass er vom Alkohol nicht loskomme. Außerdem sprächen betriebliche Belange gegen eine Weiterbeschäftigung. Der alkoholkranke Mitarbeiter arbeite an 220-Volt-Anlagen. Selbst bei einer einmaligen Verfehlung könne es zu erheblichen Verletzungen des Mitarbeiters und anderer Beschäftigter kommen. Außerdem arbeite der Mann meistens allein, so dass eine Kontrolle kaum möglich sei. Das alles überzeugte die Landesarbeitsrichter nicht.

Dazu Rechtsanwältin Thiery: "Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfolgt die Prüfung, ob die alkoholbedingte Kündigung rechtmäßig ist, in drei Stufen." Und zwar entsprechend den Grundsätzen bei einer krankheitsbedingten Kündigung. Im Einzelnen: Erstens müsse eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes bestehen. Zweitens müsse der Arbeitgeber erhebliche Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen nachweisen. "Und drittens muss auch bei Abwägung der beiderseitigen Interessen die Kündigung gerechtfertigt sein", so Thiery.

Im konkreten Fall hatten die Richter schon auf der ersten Stufe Bedenken, ob ein einziger erneuter Alkoholkonsum bereits eine negative Prognose rechtfertigen kann. Es gebe keinen Erfahrungssatz, wonach ein Rückfall nach einer zunächst erfolgreichen Entwöhnungskur und längerer Abstinenz einen endgültigen Fehlschlag jeglicher Alkoholtherapie für die Zukunft bedeute. Das Gericht ließ diese Frage aber im konkreten Fall offen. Das galt auch für die Frage, ob ein Arbeitgeber nach erfolgter ambulanter Therapie und einem Rückfall verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer die Chance einer stationären Entziehungskur einzuräumen, statt ihm zu kündigen.

Auf die Antworten auf beide Fragen kam es letztlich nicht an, weil das Landesarbeitsgericht auf der zweiten Prüfstufe nicht feststellen konnte, dass der Rückfall des Mitarbeiters betriebliche Interessen erheblich beeinträchtigt habe. So hatte der Arbeitgeber nicht vorgetragen, dass ihm erhebliche Lohnfortzahlungskosten wegen der Alkoholerkrankung des Mannes entstanden waren. Auch unter dem Gesichtspunkt der Eigen- und Fremdgefährdung war die Kündigung nach Ansicht des Gerichts nicht gerechtfertigt. Denn der Mitarbeiter hatte am Arbeitsplatz keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen gezeigt. red/wi

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