Polizei und Demonstranten filmen sich gegenseitig: Dürfen die das?

Karlsruhe · Demo-Ping-Pong: Wenn die Polizei eine Demonstration filmt, dann lassen sich Demo-Teilnehmer oft nicht lumpen. Auch sie filmen die Polizei. Und dann kommt die Polizei und will den Personalausweis sehen. Ist das erlaubt?

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Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem Grundsatzbeschluss die Rechte von Demonstranten gegenüber der Polizei gestärkt. Demnach ist die Polizei nicht ohne Weiteres berechtigt, die Identität von Demo-Teilnehmern festzustellen, die Polizisten filmen, wenn die Beamten selbst Filmaufnahmen von der Versammlung anfertigen. Die Identitätsfeststellung ist vielmehr nur bei konkreter Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut zulässig, so die Karlsruher Richter. In einem konkreten Fall müssten deshalb tragfähige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Filmaufnahmen später veröffentlicht werden sollen und nicht anderen Zwecken wie der Beweissicherung dienen. Dies gelte insbesondere mit Blick auf das Kunsturhebergesetz. Es verbiete und bestrafe nicht bereits die Anfertigung von Bildern, sondern erst deren unbefugte Verbreitung (Az.: 1 BvR 2501/13).

Im konkreten Fall ging es um einen angemeldete Versammlung vom Januar 2011, bei der Polizisten und Demonstranten sich wechselseitig filmten. Der spätere Beschwerdeführer wurde von Beamten aufgefordert, sich auszuweisen. Diese Aufforderung kam der Mann nach. Anschließend klagte er gegen die Maßnahme. Zunächst ohne Erfolg. Aber in letzter Instanz gab ihm das Bundesverfassungsgericht Recht. Es stellte fest: Die Feststellung der Identität einer Person greife in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Zwar sei das Gewicht des Eingriffs verhältnismäßig gering, dennoch benötige ein solcher Grundrechtseingriff eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Diese sei im konkreten Fall jedoch nicht gegeben.

Begründung: Sobald die Polizei wegen Lichtbildern oder Videoaufnahmen präventiv einzuschreiten wolle, erfordere dies eine konkrete Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut. Dies sei eine Frage der tatsächlichen Umstände im Einzelfall. Gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass im Einzelfall die konkrete Gefahr einer unzulässigen Verbreitung der Lichtbilder bestehe, müsse sich diese Annahme auf hinreichend tragfähige Anhaltspunkte stützen. Die bloße Möglichkeit einer strafbaren Verletzung des Rechts am eigenen Bild durch eine Veröffentlichung genüge nicht für eine Identitätsfeststellung. Würde man nur diese Möglichkeit ausreichen lassen, bestehe die Gefahr, dass Betroffene aus Furcht vor polizeilichen Maßnahmen Bildaufnahmen und die mit diesen nicht selten einhergehende Kritik an staatlichem Handeln unterlassen.

Vor diesem Hintergrund hätten die eingesetzten Polizeibeamten nicht schon deshalb davon ausgehen dürfen, dass die Aufnahmen im Internet veröffentlicht werden sollten, weil ein anderer Grund für die Beamten nicht ersichtlich gewesen sei. Dabei hätten sie verkannt, dass der Anlass für die Aufnahmen im konkreten Fall darin lag, dass die Polizei selbst Bild- und Tonaufnahmen der Teilnehmer einer öffentlichen Versammlung anfertigte. Wenn Versammlungsteilnehmer in dieser Situation ihrerseits Ton- und Bildaufnahmen von den eingesetzten Beamten anfertigen, dann könne nicht ohne nähere Begründung von einer konkreten Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut ausgegangen werden. Vielmehr sei hier zunächst zu prüfen, ob eine sanktionierte Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung der angefertigten Aufnahmen tatsächlich zu erwarten ist oder ob es sich bei der Anfertigung der Aufnahmen lediglich um eine bloße Reaktion auf die von der Polizei gefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen handelt - etwa zur Beweissicherung mit Blick auf etwaige Rechtsstreitigkeiten.

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