Pferd musste nach Beinbruch sterben: War der Tierarzt schuld?

Oldenburg · Ein Grundsatzurteil zur Haftung von Tierärzten nach Behandlungsfehlern hilft betroffenen Tierhaltern. Sie können in einem Zivilprozess gegen den Mediziner nun auf günstigere Beweisregeln hoffen.

 Symbolfoto.  Location: Sehnde

Symbolfoto. Location: Sehnde

Foto: Julian Stratenschulte (dpa)

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat einen Tierarzt aus dem Landkreis Osnabrück verurteilt, einer Tierhalterin Schadenersatz wegen einer fehlerhaften Behandlung ihres Pferdes zu zahlen. In dem Grundurteil billigten die Richter der Pferdehalterin eine so genannte Beweislastumkehr zu. Diese Linie entspricht im Ergebnis den Regelungen der Arzthaftung bei menschlichen Patienten. Ob es dabei bleiben wird, das ist offen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache wurde die Revision zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe zugelassen.

Die Pferdehalterin hatte im Juli 2010 den Tierarzt gerufen, nachdem sie an der Innenseite des rechten hinteren Beines des Pferdes in der Höhe des Unterschenkelknochens eine Verletzung festgestellt hatte. Als der Arzt auf den Hof kam, war das Pferd bereits von der Weide geholt und an einem Balken angebunden worden. Der Tierarzt verschloss die Wunde und gab die Anweisung, das Pferd müsse zwei Tage geschont werden. Es könne dann aber wieder geritten werden, soweit keine Schwellung im Wundbereich eintrete. Drei Tage später wurde das Pferd abgeholt. Die Reiterin stellte leichte Taktunreinheiten im Bereich des verletzten Beines fest und stellte das Reiten ein. Weitere drei Tage später diagnostizierte der Tierarzt eine Fraktur des verletzten Beines. Die Operation gelang nicht, das Pferd wurde noch am selben Tag getötet.

Die Tierhalterin macht dafür den Veterinär verantwortlich. Sie fordert mehr als 100 000 Euro Schadensersatz und verklagte den Tiermediziner. Die Richter schalteten einen Sachverständigen ein. Der fand heraus, dass sich das Pferd auf der Weide durch den Tritt eines Artgenossen nicht nur eine äußerliche Wunde zugezogen hatte, sondern auch eine Fissur des Knochens. Dieser Haarriss hatte sich anschließend zu einer vollständigen Fraktur entwickelt. Das Landgericht Osnabrück und nun auch das Oberlandesgericht Oldenburg gehen deshalb von einem schweren Behandlungsfehler des Tierarztes aus. Dieser hätte erkennen müssen, dass die Möglichkeit eine Fissur bestand. Er hätte dazu weitere Untersuchungen vornehmen müssen, die die Fissur bestätigt hätten. Sodann hätte er die Empfehlung aussprechen müssen, das Tier möglichst so zu halten, dass es sich wenig bewegen und sich insbesondere nicht hinlegen kann. Tatsächlich sei nämlich die Fraktur des Beines beim Aufstehen des Pferdes entstanden, während es alleine im Pferch gehalten wurde.

Der juristische Kern des Falles lag damit bei der Frage, ob der schwere Behandlungsfehler ursächlich für die Fraktur geworden war. Dies konnte der Sachverständige nicht eindeutig bejahen oder verneinen. Deshalb kam es entscheidend darauf an, ob die Tierhalterin oder der Tierarzt die Beweislast für diesen Zusammenhang zwischen Arztfehler und Fraktur nebst Tötung des Tieres trägt. Diese Beweislast liegt normalerweise bei demjenigen, der einen Anspruch auf Schadensersatz geltend macht - hier also bei der Tierhalterin. Das Landgericht drehte den Spieß jedoch um und nahm - ähnlich wie bei menschlichen Patienten - eine grundsätzliche Beweislastumkehr nach einem schweren Behandlungsfehler an. Dem folgte im Ergebnis das Oberlandesgericht. Gleichzeitig stellten die Oberrichter aber klar: Die Frage der Beweislastumkehr sei nicht generalisierend, sondern in jedem Einzelfall zu prüfen. Sie komme hier in Betracht, weil der Tierarzt durch seinen Rat, das Pferd könne bereits nach zwei Tagen wieder geritten werden, das Risiko einer Fraktur mit dem für das Tier tödlichen Ausgang noch wesentlich erhöht habe (Az.: 14 U 100/14).

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