Prozess: Saarländer soll Spenden für krebskranke Kinder kassiert haben

Saarbrücken · Wegen Spendenbetrugs muss sich ein Saarländer (53) vor Gericht verantworten. Sein Verein soll bundesweit bei 19000 Menschen mehr als 600000 Euro für die „Kinderkrebsvorsorge“ gesammelt haben. Der Großteil blieb angeblich bei dem Mann hängen.

 SymbolbildLocation:Karlsruhe

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Foto: dpa/Uli Deck

Die Menschen haben zwei Eigenschaften, die sie im Wechselspiel zu dem machen, was sie sind. Die eine Eigenschaft ist die Gier, die andere die Hilfsbereitschaft. Mit dem Ausnutzen beider Charakterzüge scheint sich ein 53 Jahre alte Saarländer auszukennen, der seit gestern auf der Anklagebank des Landgerichts sitzt. Vor Jahren nutzte er offenbar die Gier seiner Kunden aus, um ihnen vermeintlich lukrative Geldanlagen anzudrehen und werde deshalb wegen Betruges verurteilt. Nun steht er wieder vor Gericht. Es geht um das Ausnutzen der Hilfsbereitschaft der Menschen bei krebskranken Kindern und deren Eltern.

Laut Anklage war der 53-Jährige der Drahtzieher hinter den zwei Vereinen "Kinderkrebsvorsorge" und "Förderkreis Kinderkrebsvorsorge" in Saarbrücken. Mit Hilfe eines externen, gutgläubigen Call-Centers sollen für diese Vereine bei rund 19 000 Menschen mehr als 600 000 Euro gesammelt worden sein. Davon wurden angeblich nur 15 000 Euro für die Belange krebskranker Kinder ausgeben.

Nach Erkenntnis der Ermittler waren die Vereine 2004 und 2006/2009 aus der Taufe gehoben worden. Beide Male lief dies angeblich nicht korrekt - einmal soll eine Busfahrerin als Strohfrau und Geschäftsführerin fungiert haben, einmal sollen eigentlich nicht existente oder tote Gründungsmitglieder aktiv gewesen sein. Drahtzieher und Finanzverwalter sei jeweils der Angeklagte gewesen, der mit seiner Frau von Hartz IV lebte.

Das Anwerben von Spenden soll der Mann nur zu einem geringen Teil selbst übernommen haben - wohl in erster Linie bei Menschen und Vereinen im Saarland und der näheren Umgebung. Die spendeten für den als gemeinnützig anerkannten Verein zwischen 2008 und 2011 insgesamt rund 23 000 Euro.

Den Löwenanteil der Spenden beschaffte ein Unternehmen mit Sitz außerhalb des Saarlandes. Es hatte eine Kartei mit den Adressen potenzieller Spender und ein entsprechendes Call-Center. Dieses Unternehmen bekam vom Angeklagten Unterlagen über den Zweck der Vereine und mit Beispielen für deren wohltätiges Tun. Damit wurden zwischen Januar 2008 und Mai 2011 systematisch Spender im ganzen Bundesgebiet angerufen. Am Ende spendeten ungefähr 19 000 Personen für krebskranke Kinder insgesamt 614 103 Euro. Laut Anklage bekam die Call-Center-Betreiberin davon rund 262 000 Euro. Der entsprechende Anteil von etwa der Hälfte des Ertrages sei vorab verabredet und den Spendern nicht offenbart worden.

Rund 255 000 Euro der Spendengelder seien vom Angeklagten satzungsfremd, für eigene Belange und den eigenen Lebensunterhalt verwandt worden, so der Oberstaatsanwalt. Der Mann habe in einem angeblichen Jugendcamp des Vereins gewohnt, ein Auto auf dessen Kosten gefahren und mit dem Geld beispielsweise Kabelfernsehen, Autoreparaturen, Arztrechnungen seiner Ehefrau und Hundefutter bezahlt. Gleichzeitig habe der Mann in jenem Zeitraum zu Unrecht Sozialhilfe für sich und seine Frau bezogen, so die Anklage.

Der 53-Jährige hat sich vor Gericht bislang noch nicht geäußert. Sein Verteidiger hat eine Serie von Beweisanträgen angekündigt. Damit soll belegt werden, dass deutlich mehr Spendengelder für gemeinnützige Zwecke verwandt wurden, als in der Anklage aufgelistet. Das würde den mögliche Schaden und den Umfang des Betrugsvorwurfs reduzieren. Der Prozess wird fortgesetzt.

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