Tragischer Angelausflug: Mann verliert Geruchssinn nach Schlägerei

Saarbrücken · Es sollte ein gemütlicher Pfingstausflug mit Angeln und Zelten werden. Aber dann gerieten zwei Männer am Bostalsee aneinander. Der eine zerschlug dem anderen fast alle Knochen im Gesicht. Jetzt sahen sie sich vor Gericht wieder.

Wie bestraft man einen Mann, der im Suff einem Bekannten fast alle Knochen im Gesicht zerschlagen hat? Muss er aus Gründen der Abschreckung für Jahre ins Gefängnis? Oder rechtfertigen es die konkreten Umstände, dass er mit einer Bewährungsstrafe davon kommt?

Völlig unterschiedlich hat das Landgericht Saarbrücken diese Fragen in zwei Urteilen zum selben Fall beantwortet. Ende 2012 war dort ein Schweißer (34) aus Rheinland-Pfalz wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Aber der Bundesgerichtshof hob das Urteil im Strafmaß auf. Also wurde der Fall erneut aufgerollt und anhand zusätzlicher Gesichtspunkte bewertet. Urteil nun: Zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung für den Angeklagten.

Der nicht vorbestrafte Familienvater stammt aus Kasachstan und hatte an Pfingsten 2011 bei einem Ausflug zum Bostalsee einen sieben Jahre älteren Bekannten aus Lettland schwer verletzt. Die Männer waren damals mit Bekannten ins Saarland gekommen, um zu zelten und zu angeln. Sie saßen am Ufer des Bostalsees zusammen, redeten und tranken Alkohol. Dabei soll sich der Angeklagte ziemlich großspurig aufgeführt haben. Die etwas älteren Männer, die ihn zum Teil gerade erst kennen gelernt hatten, meinten daraufhin, der jüngere solle mehr Respekt zeigen und auch mal still sein. Das klappte aber nicht. Im Lauf des Abends nach diversen Flaschen Wein und Wodka gerieten der 34-Jährige und sein späteres Opfer aneinander. Es ging wohl auch darum, dass der eine aus Kasachstan und der andere aus Lettland stammt.

Irgendwann sonderten sich die beiden von der gemütlichen Truppe ab, um die Sache zu klären. Auf einem schmalen Trampelpfad gerieten sie richtig aneinander. Dabei versetzte der ältere Bauarbeiter dem Angeklagten offenbar den ersten Schlag, worauf der zu Boden fiel und sich den Kopf stieß. Das konnte der 34-Jährige - der in seiner Armeezeit eine Nahkampfausbildung gemacht hatte - nicht auf sich sitzen lassen. Er kam wieder hoch, schlug sein Gegenüber zu Boden. Dann kniete er sich über den Mann aus Lettland und schlug ihm immer wieder ins Gesicht. Die Zechkumpanen der beiden hörten den Lärm, kamen gelaufen und trennten die Männer. Einer dieser Zeugen sagte später: Er habe seinen Freund am Boden nur noch an der Jacke erkannt. Dessen Gesicht sei nicht mehr zu erkennen gewesen. Und der Schläger habe in diesem Moment etwas gemurmelt wie "Verzeih mir Bruder."

Im Krankenhaus stellten die Ärzte später fest, dass fast alle Knochen im Gesicht des Bauarbeiters gebrochen waren. Unter den Folgen leidet der Mann bis heute. "Es ist nicht mehr so wie früher", sagte er dazu als Zeuge vor Gericht. Er habe seinen Geruchssinn verloren, leide manchmal unter Kopfschmerzen und könne nur noch wenige Stunden am Tag ohne Beschwerden arbeiten. Der 34-Jährige auf der Anklagebank - er hatte zur Tatzeit fast drei Promille Alkohol im Blut - reagierte auf diese Schilderungen betroffen: "Es tut mir Leid. Ich hoffe, dass Du wieder gesund wirst." Und: "Ich werde alles tun, um den Schaden zu ersetzen." Darauf der Zeuge: "Danke. Die Zeit wird zeigen, wie es geht." Im Anschluss nutzten die Männer eine Sitzungspause, um sich auszusprechen und mit Hilfe der Anwälte auf ein Schmerzensgeld von 5000 Euro zu einigen.

Fazit des Oberstaatsanwalts in seinem Plädoyer: Nach dieser Entschuldigung und dem Täter-Opfer-Ausgleich könne die Strafe zwar reduziert werden. Es sei aber weiterhin eine Haftstrafe von drei Jahren ohne Bewährung angemessen. Ganz anders der Verteidiger. Er plädierte für eine Bewährungsstrafe. Und nach fast einer Stunde Beratung folgten die Richter dem Antrag des Anwalts. Sie billigten dem Angeklagten verminderte Schuldfähigkeit wegen des Alkoholgenusses zu und verurteilten ihn zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung nebst Zahlung des vereinbarten Schmerzensgeldes. Dazu der Vorsitzende Richter: "Ob dieses Urteil gerecht ist?" Seine Antwort: "Das werden diejenigen, die das Verfahren beobachtet haben, unterschiedlich sehen." Und: "Wir waren auf der Suche nach einem gerechten Urteil. Hierbei bewegt man sich in einem gewissen Spielraum." In diesem Rahmen sei das Urteil angemessen und vertretbar. Mehr, also ein gerechtes Urteil, sei nicht zu finden.

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