Bahai Wo alle Religionen der Welt vereint sind

Saarbrücken · Die Bahai-Anhänger feiern den 200. Geburtstag ihres Religionsstifters Baha’u’llah.

 Das Weltzentrum der Bahai am Berg Karmel in Haifa (Israel). Dort befindet sich das geistige und spirituelle Zentrum der Bahai-Religion. Außerdem beherbergt es die Gebeine der Religionsgründer Bab und Baha‘u‘llah.

Das Weltzentrum der Bahai am Berg Karmel in Haifa (Israel). Dort befindet sich das geistige und spirituelle Zentrum der Bahai-Religion. Außerdem beherbergt es die Gebeine der Religionsgründer Bab und Baha‘u‘llah.

Foto: Bahai Media Bank

Warum gibt es in der Welt so viele Religionen, wenn doch alle nur von einem Gott sprechen? Eine Frage, die Dieter Meiser aus Heiligenwald bei Schiffweiler schon in Jugendjahren umtrieb. Der heute 57-Jährige war, ebenso wie seine Frau, katholisch getauft. Gläubig, aber nicht unbedingt kirchengläubig, sei sie gewesen, sagt Elfriede Ulrich-Meiser. Schon als Kind habe sie das Trennende zwischen den Konfessionen und Religionen gestört. „Meine Freundin war protestantisch, wir hatten in der Schule getrennten Unterricht. Das konnte ich nicht verstehen.“ Befriedigende Antworten auf ihre Fragen suchten die heute 60-jährige Heilpraktikerin und der Physiotherapeut im Katholizismus vergebens. Doch während manch anderer Zweifler enttäuscht seiner Konfession den Rücken kehrt, war dem Ehepaar nach seinem Austritt aus der katholischen Kirche eines ungeheuer wichtig: eine religiöse Heimat zu haben.

Ende der 80er Jahre stießen die Meisers auf die Schriften der Bahai, lasen von der Gleichwertigkeit aller Religionen und davon, dass sie eine große Einheit bilden. Eine Einheit, deren Kern darin besteht, dass sich Gott von Zeit zu Zeit durch einen neuen Gottesboten in menschlicher Gestalt offenbart, durch den die Menschheit einen neuen Impuls für ihre Weiterentwicklung erfährt. Zu diesen Auserwählten oder Gottesoffenbarern zählen Moses, Buddha, Jesus Christus, Mohammed sowie am Ende der Reihe Baha’u’llah, der Religionsstifter der Bahai.

„Ich dachte, genau das ist es“, berichtet Elfriede Ulrich-Meiser begeistert. Und auch für Dieter Meiser war der Bahai-Glaube „die Antwort auf meine religiösen Fragen“. 1992 entschied sich das Paar, der Bahai-Gemeinde in Deutschland beizutreten. Das geschah völlig unkompliziert durch ein Formular mit der Bitte um Aufnahme in die Bahai-Gemeinschaft und durch die „Anerkennung des Baha’u’llah als die Manifestation Gottes unseres Zeitalters“. Gemeinschaftliche Zeremonien oder Rituale kennen die Bahai nicht. Auch keine Taufe oder Missionierung, wie sie im Christentum praktiziert werden. Ein offizielles Bekenntnis zur Bahai-Religion ist zudem erst im Alter von 15 Jahren möglich. Die Quierschieder Psychologin Ferah Aksoy-Burkert etwa wuchs als Tochter von Bahai-Anhängern, die in den 60er Jahren aus der Türkei nach Deutschland kamen, mit der Religion auf. Wirklich dazugehören konnte sie aber erst mit 15 Jahren. Der Bahai-Glaube ist ihr bis heute ein Lebensmittelpunkt: Die Schriften des Baha’u’llah bieten ihr einen „Leitfaden, um den Herausforderungen der heutigen Zeit zu begegnen“, sagt Aksoy-Burkert. Was sie und Elfriede Ulrich-Meiser in der Bahai-Gemeinschaft zudem besonders schätzen, sind Gleichheit und Ebenbürtigkeit von Mann und Frau. Ein Grundsatz, den man so explizit in anderen Konfessionen nicht finde, meint Ulrich-Meiser. 

Gebete, Andachten, Lesungen aus Baha’u’llahs Schriften, aber auch aus Tora, Bibel oder Koran –„für uns bilden sie quasi ein einziges großes Buch“ (Meiser) – sind bei den Bahai-Anhängern in den Alltag eingebunden. „Religion soll ja den Menschen durch den Tag tragen“, erklärt der Physiotherapeut. Einen Klerus gibt es nicht, jeder Mensch ist autorisiert, die Schriften selbst auszulegen.

65 Saarländer bekennen sich derzeit zur Bahai-Religion, ein Gemeindezentrum gibt es hier nicht. Man trifft sich dem Bahai-Kalender folgend alle 19 Tage bei Gleichgesinnten zu Hause. Heute allerdings wird auswärts gefeiert: Weltweit begehen an diesem Samstag acht Millionen Anhänger (in Deutschland etwa 5000) den 200. Geburtstag des Religionsstifters Baha’u’llah mit Darbietungen, Andachten und Lesungen.

Baha’u’llah („Herrlichkeit Gottes“) wurde 1817 als Mirza Hasayn Ali Nuri in Teheran (Iran) geboren. Er entstammte einer reichen Familie, entsagte aber einem sorglosen Leben und widmete sich der Armenfürsorge. 1844 schloss er sich der so genannten Babi-Bewegung an, die sich damals in ganz Persien ausbreitete und eine Verfolgungswelle seitens der schiitisch-muslimischen Institutionen auslöste. Bab, der Begründer der Babi-Bewegung, gilt als Wegbereiter der Bahai-Religion. Nach dessen Hinrichtung wurde auch Baha’u’llah verhaftet. Während der Kerkerzeit, heißt es, habe Baha’u’llah seine Offenbarungsvision gehabt. 40 Jahre seines Lebens verbrachte Baha’u’llah im Exil, unter anderem in Bagdad und Konstantinopel, bis er 1892 in Akko im heutigen Israel verstarb. In der israelischen Stadt Haifa befindet sich heute das administrative und geistige Weltzentrum der Bahai mit seiner einzigartigen Gartenanlage. Auf jedem Kontinent gibt es ein Haus der Andacht, das europäische steht in Hofheim-Langenhain im Taunus.

 Bahai-Anhänger im Saarland: Ferah Aksoy-Burkert aus Qierschied, Dieter Meiser und seine Frau Elfriede Ulrich-Meiser aus Heiligenwald (v.l.).

Bahai-Anhänger im Saarland: Ferah Aksoy-Burkert aus Qierschied, Dieter Meiser und seine Frau Elfriede Ulrich-Meiser aus Heiligenwald (v.l.).

Foto: Iris Neu-Michalik, Saarbrücker Zeitung/Iris Neu-Michalik

Im Iran stellen die Bahai mit 300 000 Anhängern auch heute noch die größte religiöse Minderheit. Nach wie vor werden sie dort als Abtrünnige des schiitischen Islam verfolgt oder durch Arbeitsverbote, Brandanschläge und willkürliche Verhaftungen schikaniert.

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