Politisches Erdbeben in Frankreich

Paris · Der spektakuläre Verzicht des französischen Staatspräsidenten François Hollande auf eine erneute Kandidatur führt zu einem Machtkampf in seiner sozialistischen Partei.

 Premierminister Manuel Valls gestern in Nancy. Foto: dpa/Cugnot

Premierminister Manuel Valls gestern in Nancy. Foto: dpa/Cugnot

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"Die Schlacht nach Hollande", titelt die Zeitung "Le Monde " in ihrer Samstagsausgabe. Wenige Stunden nach der Entscheidung des französischen Präsidenten François Hollande , nicht für eine zweite Amtszeit zu kandidieren, richtet sich der Blick in die Zukunft. Eine Zukunft, in der weder der Staatschef noch sein Vorgänger Nicolas Sarkozy oder der frühere Regierungschef Alain Juppé ihren Platz haben. "Der Abgang von drei Persönlichkeiten, die unserem politischen Leben vertraut waren, innerhalb von zehn Tagen bedeutet eine Erneuerung der politischen Klasse", schreibt der Politologe Dominique Reynié. Nun muss sich zeigen, was nach dem Abgang der Urgesteine kommt.

Für die Konservativen ist die Antwort klar: François Fillon wird sie in den Wahlkampf führen. Der frühere Regierungschef gewann die Vorwahlen überraschend gegen Juppé, nachdem er zuvor bereits Sarkozy aus dem Rennen geworfen hatte. Auf der Seite der Sozialisten könnte mit Manuel Valls ebenfalls ein Premier antreten, dessen Rücktritt in den nächsten Tagen erwartet wird.

Marine Le Pen vom rechtspopulistischen Front National sprach bereits von der Kandidatur der "Doppelgänger": Fillon für Sarkozy, unter dem er fünf Jahre lang Premier war, und Valls für Hollande. "Die Frage stellt sich, ob Fillon und Valls eher als neue Kandidaten oder eher als ehemalige Premierminister angesehen werden", bemerkt Reynié. Für Fillon ist die Antwort relativ klar: Er gilt als eigenständiger Bewerber, da seine Regierungszeit bereits vor fast fünf Jahren endete und er danach innerparteilich Wahlkampf gegen Sarkozy machte.

Valls ist dagegen eng mit dem Präsidenten verbunden, der ihn 2014 zum Regierungschef berief. "Wir werden die Bilanz von François Hollande verteidigen müssen. Ich werde das tun", sagte der ehrgeizige 54-Jährige gestern bei seinem ersten Auftritt nach Hollandes Verzicht. Die Bilanz des Präsidenten ist allerdings mager. Vor allem bei seiner Hauptaufgabe, dem Kampf gegen die Rekordarbeitslosigkeit, versagte der Sozialist, der jahrelang eine Trendumkehr auf dem Arbeitsmarkt ankündigte. Tatsächlich sind aber heute gut eine halbe Million Menschen mehr arbeitslos als zu Beginn seiner Amtszeit. Dass die Zahlen zuletzt leicht zurückgingen ist vor allem einem großen Weiterbildungsprogramm zu verdanken.

"Manuel Valls ist der Ersatzmann von François Hollande . Er ist noch sein Premierminister und deshalb für seine Bilanz verantwortlich", kritisierte der Wahlkampfleiter des früheren Wirtschaftsministers Arnaud Montebourg im Fernsehen. Montebourg, der zum linken Flügel der Sozialisten gehört, hat bereits seine Kandidatur für die Vorwahlen im Januar erklärt. Im direkten Vergleich schneidet er allerdings schlecht ab gegen Valls: Nur 15 Prozent der Wähler der Sozialisten sind einer neuen Umfrage zufolge für ihn, 57 Prozent für den Regierungschef. Der dürfte es aber nach derzeitigem Stand 2017 ebensowenig in die Stichwahl schaffen wie sein Rivale Emmanuel Macron, der unabhängig von den Vorwahlen der Sozialisten antritt.

Valls muss im Falle seiner Kandidatur gleich an zwei Fronten kämpfen: gegen Macron, der ihm das Image des Reformers streitig macht, und gegen den linken Parteiflügel. Für den ist er zur Hassfigur geworden, seit er ein ausgerechnet aus Macrons Feder stammendes Gesetz zur Ankurbelung der Wirtschaft am Parlament vorbei verabschieden ließ. Der Regierungschef sprach selbst von "zwei unversöhnbaren Linken" - seiner sozialdemokratischen Strömung und den Vertretern eines sozialistischen Kurses alter Prägung. Die Vertreter der beiden Flügel dürften sich bis zu den Vorwahlen gegenseitig zerfleischen.

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