Deutschland in der Schusslinie

Kabul · Ein Lastwagen voller Sprengstoff, mehrere Tote, Schäden in Millionenhöhe – und die Deutschen finden sich plötzlich in vorderster Schusslinie der Taliban wieder. Bundeswehrsoldaten erschießen außerdem zwei Motorradfahrer.

 Sicherheitsleute inspizieren in Masar-i-Scharif den Ort der Zerstörung nach dem Taliban Angriff auf das deutsche Generalkonsulat. Foto: Sultani/dpa

Sicherheitsleute inspizieren in Masar-i-Scharif den Ort der Zerstörung nach dem Taliban Angriff auf das deutsche Generalkonsulat. Foto: Sultani/dpa

Foto: Sultani/dpa

Nach dem Anschlag auf das deutsche Generalkonsulat in Masar-i-Scharif hat die Bundeswehr in der nordafghanischen Stadt zwei Motorradfahrer erschossen. Die beiden Männer sollen sich am Freitag über die Aufforderung, sofort anzuhalten, hinweggesetzt haben. Der Sprecher des Gouverneurs der nordafghanischen Provinz, Munir Farhad, sagte, die beiden Männer seien Zivilisten gewesen und nicht, wie von den deutschen Soldaten befürchtet, weitere Taliban-Angreifer.

Zuvor waren beim Angriff von radikal-islamischen Taliban-Milizen auf das Konsulat mindestens vier Menschen getötet und 128 verletzt worden. Die schwer beschädigte Auslandsvertretung muss nun vermutlich auf Monate hinaus geschlossen bleiben. Auch Privathäuser und Geschäfte waren betroffen. Das Personal des Konsulats - etwa zwei Dutzend Diplomaten und andere Mitarbeiter - wurde in ein zehn Kilometer entferntes Bundeswehr-Lager in Sicherheit gebracht. Alle Deutschen blieben unverletzt.

Bei dem Anschlag am Donnerstagabend kam auch einer der Attentäter ums Leben. Die Taliban hatten gegen 23 Uhr einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen in die fünf Meter hohe Schutzmauer des Konsulats gerammt. Dann zündeten sie eine Bombe, die auf der Ladefläche versteckt war. Ein zweiter Attentäter sei festgenommen worden, sagte Gouverneurssprecher Munir. Bei der Abwehr des Angriffs wurden nach Eins chätzung der Bundesregierung keine Fehler gemacht. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte am Freitag, dass bei der Operation "aus derzeitiger Sicht vieles sehr gut gelaufen ist". Die Taliban hatten sich noch in der Nacht zu dem Anschlag bekannt. Sie werfen Deutschland eine Mitschuld an einem US-Luftangriff auf Taliban in Kundus in der Nacht des 3. November vor, bei dem auch etwa 30 Zivilisten - darunter viele Kinder und Frauen - getötet wurden. Die Deutschen hätten den US-Streitkräften die notwendigen nachrichtendienstlichen Informationen zukommen lassen, sagte ein Taliban-Sprecher. Nach Auskunft der Bundesregierung war die Bundeswehr am fraglichen Luftangriff nicht beteiligt.

Im Auswärtigen Amt tagte am Freitag erneut der Krisenstab. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte zuvor, dabei werde auch besprochen, ob der Anschlag Auswirkungen auf Deutschlands militärische und zivile Aktivitäten in Afghanistan haben werde.

Frankreich verurteile mit "größtem Nachdruck" die Attacke auf das deutsche Konsulat, teilte ein Sprecher des französischen Außenministeriums am Freitag in Paris mit. Frankreich sei "völlig solidarisch" mit Deutschland.

Meinung:

Ein Weckruf für den Westen

Von SZ-Korrespondent Hagen Strauß

Ruhig ist es zuletzt um das deutsche Engagement in Afghanistan gewesen, zu ruhig. Weil der Kampfeinsatz offiziell vor zwei Jahren für beendet erklärt wurde. Der massive Angriff der Taliban hat nun auf schlimmste Weise in Erinnerung gerufen, wie es tatsächlich um das Land bestellt ist: Es gibt keinen umfassenden Frieden und kaum mehr Sicherheit und Stabilität. Die Taliban sind wieder stark. Vor wenigen Wochen wurde dies durch den Angriff der Terroristen auf Kundus deutlich. Ausgerechnet auf den Ort, der bis 2013 von der Bundeswehr geschützt wurde. Jetzt die Attacke auf das deutsche Konsulat. Ein weiterer Weckruf, dass der Westen dringend eine neue Afghanistan-Strategie benötigt.

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