Dresden im Alarmzustand

Dresden · Sachsen will sich mit der Einheitsfeier in Dresden als weltoffen präsentieren. Zwei Sprengstoffanschläge erschüttern die Vorfreude und lösen Empörung aus. Der Tag der Deutschen Einheit wird abgesichert wie noch nie.

Eine Frau verlässt die Fatih Camii Moschee in Dresden, an deren Tür Brandspuren eines Sprengstoffanschlags zu sehen sind. Ein zweiter Anschlag wurde am Kongressgebäude verübt. Foto: Kahnkert/dpa

Eine Frau verlässt die Fatih Camii Moschee in Dresden, an deren Tür Brandspuren eines Sprengstoffanschlags zu sehen sind. Ein zweiter Anschlag wurde am Kongressgebäude verübt. Foto: Kahnkert/dpa

Foto: Kahnkert/dpa

Zwei Sprengstoffanschläge wenige Tage vor der Einheitsfeier in Dresden haben bundesweit Entsetzen ausgelöst und die Sicherheitsbehörden alarmiert. An einer Moschee der Türkisch-Islamischen Gemeinde und am Kongresszentrum explodierten am Montagabend professionell gebaute Sprengsätze . Menschen wurden nach Angaben der Polizei nicht verletzt. Die Ermittler gehen bei der Moschee von einem fremdenfeindlichen Motiv aus und im zweiten Fall von einem Zusammenhang mit dem Fest zum Tag der Deutschen Einheit . Islamische Einrichtungen der Stadt werden jetzt besonders geschützt, die Polizei hat ihren Einsatz zur Einheitsfeier bereits früher als geplant begonnen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU ) verurteilte die Anschläge scharf. Es sei "umso empörender", da der Angriff auf eine Moschee einen Tag vor dem Festakt zum zehnjährigen Bestehen der Deutschen Islamkonferenz verübt worden sei, sagte er in Berlin. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD ) erklärte: "Die Anschläge sind erschütternd. Sie müssen jetzt sehr sorgfältig aufgeklärt und konsequent verfolgt werden." Zum Zeitpunkt der Detonation befanden sich der Imam mit seiner Frau und den beiden sechs und zehn Jahre alten Kindern in der Moschee. Alle blieben unverletzt. Durch die Druckwelle der Explosion wurde die Eingangstür nach innen gedrückt, sie ist wie die Fassade verrußt. "Es hätte zur Entzündung des Gebäudes kommen können", sagte Polizeipräsident Horst Kretzschmar.

Ein Bekennerschreiben gab es zunächst nicht. Kretzschmar lehnte es vehement ab, sich detailliert zum Stand der Ermittlungen zu äußern. Es sei zu früh, um Informationen zu geben - auch um die Ermittlungen nicht zu gefährden. So lange es keine gesicherten Erkenntnisse gebe, wolle man keinen Nährboden für Spekulationen bieten, sagte Innenminister Markus Ulbig (CDU ). Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des "Verdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion" eingeleitet. Damit beauftragt wurde das Sonderdezernat für politisch motivierte Kriminalität. Innenminister Ulbig versicherte, dass die Polizei alles tue, "dass der oder die Täter schnell identifiziert und bestraft werden".

Die Dresdner Polizei war von einer Rettungsleitstelle am Montag über die Detonationen informiert worden - um 21.53 Uhr über die an der Moschee und um 22.19 Uhr über die Terrasse am Kongressgebäude. Dort soll am 3. Oktober der Empfang des Bundespräsidenten zum Tag der Deutschen Einheit stattfinden. Die Polizei fand an beiden Tatorten die Reste der selbstgebauten Sprengsätze .

Meinung:

Rechte Kalifate

Von SZ-Korrespondent Werner Kolhoff

Hass, Gewalt, Terror. Jedem muss klar sein, dass es diese Steigerung gibt. Vom fanatischen Spruch über den Brandsatz bis zur Bombe. Das ist keine islamistische Spezialität. Das ist ein Rezept, das auch bei Rassisten funktioniert. Siehe Breivik in Norwegen, siehe der Amoklauf in München. Und nun die Anschläge von Dresden . Dass es keine Toten gab, war Zufall. Rechts gibt es genau wie bei den Islamisten vernetzte Strukturen, ja regelrechte Terror-Organisationen, wie es der NSU war.

Rechts gibt es aber ebenso auch Einzeltäter, die sich selbst oder in kleinen Gruppen radikalisieren. Erst greifen sie Sachen an, Autos, Heime, Moscheen . Dann Personen. Lokale Politiker, Ausländer. "National befreite Dörfer", die es in Ostdeutschland de facto schon gibt, sind die Kalifate der Rechtsextremen. Und die Gefährder laufen völlig unbehelligt herum. Die Radikalisierung der Rechten ist derzeit geradezu mit Händen zu greifen, die Zahl der Angriffe nimmt rasant zu. Unsere Gesellschaft darf ihren Terror aber so wenig dulden wie den islamistischen. Zum 26. Jahrestag der Deutschen Einheit stehen nicht nur Dresden und Sachsen vor der Herausforderung, dagegen viel entschlossener als bisher vorzugehen.

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