EU setzt Polen ein Ultimatum

Brüssel/Warschau · Ist der polnische Rechtsstaat in Gefahr? Die Brüsseler EU-Kommission sorgt sich. Nun erhöht sie noch einmal den Druck. Polen gibt sich unbeeindruckt und wirft der EU „voreiliges Handeln“ vor.

 Der Vize-Chef der EU-Kommission, Frans Timmermans, droht Polen mit harten Strafen. Foto: dpa

Der Vize-Chef der EU-Kommission, Frans Timmermans, droht Polen mit harten Strafen. Foto: dpa

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Im Streit um die Beschneidung der Befugnisse des polnischen Verfassungsgerichts hat die EU-Kommission Warschau ein Ultimatum gestellt. Die nationalkonservative Regierung in Polen habe drei Monate Zeit, um von Brüssel beschlossene Empfehlungen umzusetzen, sagte der Vize-Präsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, gestern in Brüssel. Ohne zufriedenstellende Lösung seien Sanktionen wie der Entzug von Stimmrechten möglich. Die EU-Kommission hatte im Falle Polens Mitte Januar erstmals überhaupt eine Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in einem Mitgliedstaat eingeleitet. Brüssel wirft der Warschauer Regierung vor, rechtswidrig die Ernennung mehrerer Verfassungsrichter rückgängig gemacht, die Unabhängigkeit des Gerichts eingeschränkt und seine Beschlüsse missachtet zu haben. Bisher hatte die Kommission Warschau nur verwarnt, nun leitete sie die nächste Stufe des Verfahrens ein.

Trotz des seit Jahresbeginn laufenden Dialogs mit Warschau seien "die wichtigsten Probleme, die die Rechtsstaatlichkeit in Polen gefährden, unserer Ansicht nach nicht gelöst" worden, so Timmermans. Deshalb lege Brüssel nun konkrete Empfehlungen vor, "wie diese Bedenken ausgeräumt werden können, so dass Polens Verfassungsgericht seine Aufgabe der Rechtsprechung zur Verfassung wirksam ausüben kann". Brüssel verlangt, dass drei noch von der Vorgängerregierung ernannte Verfassungsrichter ihr Amt antreten dürfen. Zudem will die EU die "Gewähr, dass jede Reform des Verfassungsgerichtsgesetzes im Einklang steht mit den Urteilen des Verfassungsgerichts". Und das Gericht soll prüfen dürfen, ob das von Warschau erlassene Gesetz zu seiner Reform verfassungsgemäß ist - noch "bevor es in Kraft tritt".

Die Warschauer Regierung reagierte pikiert. "Ich bin erstaunt über die Entscheidung der Europäischen Kommission, die die Mitgliedstaaten eher unterstützen sollte", sagte Polens Innenminister Mariusz Blaszczak. Brüssel habe "offenbar die Lehren aus dem Brexit nicht gezogen". Das polnische Außenministerium warf der EU vor, "eindeutig voreilig" gehandelt zu haben. Das kritisierte Reformgesetz sei noch gar nicht in Kraft. Die Behörde erleide durch das Vorgehen einen "Verlust an Ansehen". Und für Warschau stelle sich die Frage, ob die Kommission "die Prinzipien einer fairen Zusammenarbeit respektiert". In der Sache sei das polnische Reformgesetz "in vollkommener Übereinstimmung mit den europäischen Standards".

Die Kommission erklärte zu dem am 22. Juli im Parlament beschlossenen Gesetz, dieses enthalte zwar "einige Verbesserungen", es blieben aber "mehrere wichtige Bedenken" gegen die Reform. Zudem seien neue Probleme hinzugekommen. Die Kommission verwies dabei auf die Rolle des Generalstaatsanwaltes, die Verschiebung von Verhandlungen, Übergangsbestimmungen für anhängige Verfahren und zur Frist bis zum Inkrafttreten von Rechtsnormen.

Die Kommission alleine könnte aber keine Sanktionen wie den Stimmrechtsentzug verhängen. Dazu müssten die anderen Mitgliedstaaten einstimmig feststellen, dass es in Polen einen "schwerwiegenden und anhaltenden Verstoß" gegen EU-Grundwerte gibt. Der Polen-Verbündete Ungarn hat bereits klargemacht, dass er Sanktionen gegen Warschau nicht unterstützen würde.

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