Wann Medien die Täterherkunft nennen dürfen

Berlin · Die Diskriminierungsrichtlinie im Pressekodex ist umstritten. Jetzt wurde sie geändert – ein wenig. Zu wenig?

(dpa) Es gibt schwierige Fragen, die sich immer wieder stellen. Zum Beispiel, als Anfang Dezember die Festnahme eines Tatverdächtigen im Fall der getöteten Studentin in Freiburg bekannt wurde. Der Staatsanwalt hatte erklärt, ein 2015 aus Afghanistan eingereister 17-jähriger Flüchtling sei in Untersuchungshaft genommen worden. Dem jungen Mann wurden Vergewaltigung und Mord vorgeworfen. Aber sollten Medien alle diese Informationen nennen? Oder würde das Vorurteile gegen Flüchtlinge schüren? Nur bei einem "begründbaren Sachbezug" war es laut der bisherigen Richtlinie 12.1 im Pressekodex gerechtfertigt, Angaben zur Herkunft von Straftätern zu machen. Umstritten ist die Formulierung schon lange.

Von Seiten der Medien, die sich an den Pressekodex halten sollen, war regelmäßig der Hinweis gekommen, die Formulierung sei ungenau, lasse viel Interpretationsspielraum zu und helfe im Berufsalltag nicht weiter. Denn was heißt schon "begründbarer Sachbezug"?

Nun hat der Deutsche Presserat sie überarbeitet - und eine neue Fassung der Kodex-Richtlinie 12.1 beschlossen. Hier heißt es jetzt, die Zugehörigkeit von Straftätern oder Verdächtigen zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten solle in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es bestehe ein begründetes öffentliches Interesse.

Eine 180-Grad-Wende sei die Neufassung der Richtlinie nicht, sagte der Medienpsychologe Frank Schwab von der Universität Würzburg, der im vergangenen Jahr als einer der Experten bei der Plenumssitzung des Presserats für die Beibehaltung der Richtlinie plädiert hatte. "Die Stärke sind die flankierenden Sätze, der Schwachpunkt ist das "begründete öffentliche Interesse"", sagte Schwab. Denn in welchen Fällen man die Herkunft nun nennen dürfe, sei damit immer noch nicht klar. Allerdings sei der Pressekodex schließlich auch nicht das Strafgesetzbuch. "Die Richtlinie fordert dazu auf, zu reflektieren, was man tut und seine Entscheidung zu überdenken." Grundsätzlich halte er es nach wie vor für richtig, sich an die Richtlinie zu halten, sagte der Medienpsychologe. "Zu Diskriminierungen kommt es sehr schnell."

Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands, findet die Überarbeitung ebenfalls gut. Die Formulierung "begründbarer Sachbezug" sei eine sperrige, juristische Vokabel, unter der sich Nichtjuristen wenig vorstellen könnten. Mit der Neuformulierung sei das Problem aber nicht völlig gelöst. Überall wiederholte seine Forderung nach einer "Sammlung von Leitsätzen" aus der Praxis. Presseratssprecher Manfred Protze kündigte entsprechende Leitsätze auf der Basis bisheriger Presseratsentscheidungen im Lauf der kommenden Monate an.

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