Attentäter nahm offenbar Drogen

Berlin · Der Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri hat wohl von Drogenhandel gelebt. In seinem Rucksack fanden Ermittler 1000 Euro. Warum er den Anschlag verüben konnte, obwohl er der Behörden als Gefährder bekannt war, soll nun im Bundestag aufgearbeitet werden.

Über den Berliner Attentäter Anis Amri werden weitere Details bekannt. Einem Bericht zufolge nahm der 24-Jährige Drogen und finanzierte sein Leben weitgehend als Dealer. Der Tunesier, der einen Lkw in einen Berliner Weihnachtsmarkt lenkte und dabei zwölf Menschen tötete, habe regelmäßig Ecstasy und Kokain konsumiert, berichtet die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf den Sachstandsbericht zu dem Terroranschlag. Mit diesem werde sich das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags heute befassen.

Schon in seiner Heimat Tunesien war der 24-Jährige demnach wegen Drogendelikten aufgefallen. Ermittler fragten sich, ob er bei dem Anschlag am 19. Dezember unter Drogeneinfluss gestanden habe. Dem Bericht zufolge hielt sich Amri bereits mehrere Tage vor dem Anschlag in Berlin auf. In den Monaten zuvor sei er öfter von Nordrhein-Westfalen nach Belgien gereist, wo es eine starke Islamisten-Szene gibt. Die Suche nach Kontakten Amris gestalte sich schwierig, weil die Ermittler auf seinem Handy nur zwei gespeicherte Telefonnummern gefunden hätten.

Im Rucksack des einen Tag vor Weihnachten bei Mailand von der Polizei erschossenen Attentäters fand die Polizei ein Zugticket aus Frankreich, eine holländische Telefonkarte, ein Duschgel, Rasierschaum und 1000 Euro. Das habe die Polizei in Mailand auf Anfrage mitgeteilt. Woher er das Geld hatte, werde derzeit untersucht.

Zur Aufklärung von Behördenpannen im Umgang mit dem als Gefährder bekannten Tunesier erwägen Union und SPD die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag. Amri war dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst als möglicher Gefährder bekannt, der jederzeit einen Anschlag in Deutschland verüben könnte. Die Spitze der Unionsfraktion will morgen mit der SPD beraten, wie es mit der parlamentarischen Aufklärung im Fall Amri weitergehen soll. Darüber wollen Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU ) und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt mit SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprechen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU ) unterstützt den Vorstoß. Er sei "sehr offen" für einen Untersuchungsausschuss, sagte er. "Die Entscheidung über die Einsetzung sollte jetzt schnell fallen. Unsere chronologische Aufarbeitung der Vorgänge, die wir in Kürze vorlegen werden, wird eine gute Grundlage für die Arbeit des Ausschusses sein." De Maizière sagte zu, er werde "den Ausschuss mit voller Kraft unterstützen". In der Unionsfraktion hieß es, nur mit solch einem Ausschuss ließe sich auch im Sinne von Polizei und Nachrichtendiensten immer neuen Spekulationen über Fehler begegnen.

Oppermann äußerte sich in der "Bild am Sonntag" offen für einen Untersuchungsausschuss, machte aber klar, dass er einen Sonderermittler für das wirksamere Instrument hält, um rasch Licht in den Fall zu bekommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort