Unbekannte demolieren Kanzler-Box in Berliner Reichstag

Berlin · Ein begehbares Kunstwerk aus Metallboxen im Keller des Reichstages erinnert an alle 4781 frei und demokratisch gewählten Abgeordneten, die zwischen 1919 und 1999 Mitglied des Reichs- oder Bundestags waren.

 Die Vorderfront der Metallbox für Angela Merkel ist eingedrückt und ramponiert. Foto: H. Strauß

Die Vorderfront der Metallbox für Angela Merkel ist eingedrückt und ramponiert. Foto: H. Strauß

Foto: H. Strauß

Vereinzelt sind auch andere betroffen: Die Metallbox von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD ) beispielsweise weist eine kleine Delle auf, ebenso die des früheren Verkehrsministers Peter Ramsauer (CSU ). Doch keine andere ist so stark beschädigt wie die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU ). Die Merkel-Box gehört zu einem großen, begehbaren Kunstwerk im Kellergeschoss des Reichstages. Unbekannte haben die Vorderfront der Metallkassette mit dem Namen der Kanzlerin erheblich eingedrückt. Während ihrer Führungen durch den Reichstag schlängeln sich jeden Tag Besucher durch die schmale Gasse, da die leeren und rostbraunen Kästen in zwei länglichen Blöcken wie Ziegel übereinandergestapelt sind. Auch am Montag sah man dort wieder eine Gruppe fotografieren. Außerdem gehen Hunderte Mitarbeiter und Abgeordnete regelmäßig daran vorbei.

Das Kunstwerk befindet sich in dem Tunnel, der die Abgeordnetengebäude mit dem Reichstag verbindet. Gegenüber sieht man Geldautomaten stehen. Man muss suchen, um die Namen von Polit-Promis zu finden. Denn in der raumhohen Installation wird jeweils mit einer Metallbox an alle 4781 "frei und demokratisch" gewählten Abgeordneten erinnert, die zwischen 1919 und 1999 Mitglied des Reichstags oder Bundestags waren. "Das Archiv der Abgeordneten" - so hat der französische Künstler Christian Boltanski sein Werk genannt. Er will es als "Gedächtnis der Demokratie " verstanden wissen. Die Zeit zwischen 1933 und 1949 ohne Parlament symbolisiert eine schwarz lackierte Box. Hinten auf der linken Seite, mittig, findet sich der Kasten von Angela Merkel. Bei Führungen wird oft auf die Kanzlerinnen-Box hingewiesen. Der Aufkleber mit ihrem Namen ist leicht lädiert, die Vorderfront weist einen erheblichen Blechschaden auf. Ihn zu verursachen, dafür ist Absicht und Kraft notwendig.

Wie lange der Schaden schon genau besteht, weiß man nicht. Auch kennt man weder den Übeltäter noch seine Motive. War es Bürgerfrust, war es der Ärger über die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin? Das ist gewiss Spekulation. "Krass" findet man jedenfalls die verbeulte Box bei der Unionsfraktion. Offiziell dazu äußern wollte sich aber niemand. Seitens des Bundestages hieß es auf Nachfrage, die Beschädigung sei in der vergangenen Woche einem Mitarbeiter aufgefallen und gemeldet worden. Sie werde nun umgehend beseitigt, so ein Sprecher. "Der Vandale hat sich - wenig überraschend - nicht freiwillig gemeldet."

Über das Kunstwerk wurde in der Vergangenheit heftig gestritten. Denn auch er hat dort einen eigenen Kasten: Adolf Hitler. Und weitere 286 NSDAP-Abgeordnete, die mit der Wahl 1933 in den Reichstag einzogen. Demokraten und Antidemokraten stehen somit unterschiedslos nebeneinander. Opfer wie Täter, auch wenn an einigen Boxen ein Zusatzschild "Opfer des Nationalsozialismus" angebracht ist. Unbekannte hatten zudem vor Jahren ebenfalls Hitlers Kasten eingebeult; vielleicht durch einen gezielten Fußtritt gegen die im Halbdunkeln und in Kniehöhe befindliche Kiste. Damals wurde über die heikle Frage gestritten, ob die Hitler-Box überhaupt repariert werden sollte. Sie wurde. Das Namensschild ist freilich wieder zerkratzt.

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