Zeit für unbequeme Wahrheiten

Washington · Bisher war die Sache für Donald Trump klar: Der designierte US-Präsident glaubte nicht an russische Cyber-Attacken im Wahlkampf. Die Geheimdienste sind sich dessen aber offenbar sicher. Der Druck auf Trump wächst.

Russische Regierungsvertreter sollen sich gegenseitig gratuliert haben, als sich am 8. November 2016 der Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl abzeichnete: Amerikanische Geheimdienste verfügen laut Medienberichten über abgefangene Botschaften der Russen, die Eingriffe Moskaus in den US-Wahlkampf belegen. Der russische Präsident Wladimir Putin habe eine Kampagne angeordnet, um den Ausgang der Wahl zu beeinflussen, erklärten CIA , FBI und NSA in einem Bericht, der am Freitag veröffentlicht wurde. Kommende Woche sollen Einzelheiten veröffentlicht werden - Trump steht mit seiner Skepsis an den Geheimdiensterkenntnissen zunehmend allein da. Am Freitag kündigte er indes an, binnen 90 Tagen nach seinem Amtsantritt einen Plan zur Abwehr von Cyberangriffen umzusetzen.

Überzeugter denn je seien die Experten, dass Russland hinter den Angriffen im Wahlkampf stecke, sagte Geheimdienstkoordinator James Clapper schon am Donnerstag im Kongress. Nach einer vertraulichen Unterrichtung für Trump und den scheidenden Präsidenten Barack Obama soll Anfang kommender Woche die Öffentlichkeit mehr über die Erkenntnisse der Geheimdienste erfahren.

Nur hochrangige russische Regierungsstellen hätten die Datendiebstähle anordnen können, erklärten Clapper und weitere Experten mit Blick auf den Einbruch ins E-Mail-System der US-Demokraten während des Wahlkampfes. Wikileaks hatte die gestohlenen Mails veröffentlicht. Mehrere US-Medien meldeten unter Berufung auf vertrauliche Geheimdienstberichte, die amerikanischen Spionage-Organisationen hätten inzwischen herausgefunden, über welche Mittelsmänner die gestohlenen Mails von den Russen an Wikileaks gelangt seien. Clapper sagte, die Öffentlichkeit werde auch über die mutmaßlichen Motive Moskaus informiert. Laut Medienberichten betrachtete der Kreml den späteren Wahlsieger Trump als russlandfreundlicher als dessen Rivalin Clinton.

Die neuen Enthüllungen sind schlechte Nachrichten für Trump, der sich im Zusammenhang mit den Hacker-Vorwürfen mehrmals abfällig über die US-Dienste äußerte, während er Wladimir Putin und Wikileaks-Gründer Julian Assange lobte.

Trump ist isoliert. Bei seinen Parteifreunden im Kongress wird der Ruf nach scharfen Sanktionen gegen Moskau lauter. Nächste Woche muss auch Trumps russlandfreundlicher Kandidat für den Posten des Außenministers, Rex Tillerson, dem Senat Rede und Antwort stehen. Die Frage ist, wie Trump dem wachsenden Druck begegnen wird. Auf Twitter betonte er plötzlich, er sei ein "großer Fan" der Geheimdienste, und warf den Medien vor, ihm eine Feindschaft andichten zu wollen.

Als Präsident wird Trump nach seinem Amtseid am 20. Januar nicht nur mit den Spionage-Agenturen zusammenarbeiten müssen. Er wird auch mit der Wirklichkeit internationaler Hackerangriffe konfrontiert. In einem jetzt vorgelegten Bericht betont die Denkfabrik CSIS, die nächste amerikanische Regierung müsse sich auf die Abwehr solcher Attacken einstellen. Dabei sei es wichtig, mutmaßliche Angreifer mit der glaubhaften Androhung von Konsequenzen von derartigen Versuchen abzubringen. Auch darauf zielt vermutlich der Abwehr-Plan, den Trump nun erarbeiten lassen will.

Angesichts dieser Herausforderungen rückt ein bisher wenig bekannter Senator aus Indiana in den Mittelpunkt des Interesses: Der 73-jährige Dan Coats , der von 2001 bis 2005 amerikanischer Botschafter in Berlin war, soll unter Trump neuer Geheimdienstkoordinator werden. Er wird die Konflikte glätten müssen. Anders als Trump ist Coats kein Freund Putins. Vor drei Jahren kassierte er gar ein Einreiseverbot von Russland.

Meinung:

Erster Test für Trump

Von SZ-Mitarbeiter Thomas Seibert

Donald Trump muss reagieren. Bisher tat der designierte Präsident die Berichte über russische Hackerangriffe auf den US-Wahlkampf als Geschwätz ab. Doch jetzt kann er nicht mehr so tun. Sein scheidender Geheimdienstkoordinator will kommende Woche wichtige Erkenntnisse seiner Spione veröffentlichen und so den Druck erhöhen. Ein Präsident, der den eigenen Geheimdiensten nicht glaubt und sein Vertrauen in Wladimir Putin setzt, wird auch in der eigenen Partei Gegner finden. Der Fall wird so zu einem ersten Test: An Trumps Reaktion wird sich ablesen lassen, ob er auch als Präsident bei seinem Hang zu Rechthaberei bleibt, oder ob er eine neue Lernfähigkeit zeigt, wenn er mit unangenehmen Tatsachen konfrontiert wird.

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