Merkels symbolisches Treffen mit Trump

Washington · Wenn die Bundeskanzlerin auf den US-Präsidenten trifft, schaut die Welt zu. Problematisch ist: Beide hegen kaum Sympathien füreinander. Dabei brauchen sich die Wirtschafts-Supermächte.

Zuletzt haben beide die Messlatte niedrig zu hängen versucht. Donald Trump verkniff sich verbale Attacken gegen Angela Merkel, während es die deutsche Kanzlerin grotesk nannte, dass manche sie im Fernduell mit dem US-Präsidenten als Retterin westlicher Werte charakterisierten.

Folgt man der Denke des Weißen Hauses, dann ist die Vorfreude groß. Der US-Präsident ließ seinen Sprecher Sean Spicer sogar überschwänglich erklären, auf beiden Seiten des Atlantiks löse das anstehende Treffen morgen enorme Begeisterung aus. Die rhetorischen Girlanden ändern nichts daran, dass die erste Begegnung zwischen Trump und Merkel aufgeladen ist mit tiefer Symbolik. Der große Provokateur trete der letzten Verteidigerin der liberalen Weltordnung gegenüber, titelte die "New York Times" griffig - auch wenn Merkel das absurd finden mag.

Im Wahlkampf hat Trump die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin als "geisteskrank" kritisiert, später warf er ihr vor, einen katastrophalen Fehler begangen zu haben, als sie Zehntausende "Illegale" aus dem Nahen Osten ins Land ließ. Noch vor Monaten versprach er in der Pose des kühnen Umstürzlers, das System der internationalen Politik aufzumischen, wozu auch gehörte, den Wert der Allianzen infrage zu stellen, die Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg schmiedete. Es gipfelte in der Bemerkung, die Nato sei obsolet. Schließlich erklärte er, Wladimir Putin nicht weniger zu vertrauen als Angela Merkel, was eher klang, als begegne er einer Verbündeten mit dem gleichen Misstrauen wie dem Staatschef Russlands.

Beide dürften sich Mühe geben, die Gräben zu überbrücken, wenn sie sich morgen im East Room des Weißen Hauses den Fragen der Journalisten stellen. Trump, sagen dessen Spin-Doktoren, wolle Merkel um Rat fragen, wie man am besten mit Putin umgehe. Das klingt nunmehr fast so, als wolle sich der Seiteneinsteiger, der bis zu seinem 71. Lebensjahr nie ein Wahlamt innehatte, in einer Art Einführungskurs belehren lassen. Nach einer Analyse des Washingtoner Büros der Bertelsmann-Stiftung steht Merkel bei alledem vor einem Rätsel. Da Trump - abgesehen von Parolen - nie ein außenpolitisches Konzept umrissen habe, könne sie nicht wissen, woran sie bei ihm sei. Zudem beruhten gute Beziehungen zu anderen Staaten aus Sicht des Milliardärs weder auf einer langen Geschichte noch auf einer langfristigen Strategie, sondern eher darauf, ob die Chemie im Verhältnis zu den jeweiligen "Chefunterhändlern" stimme. Merkel könnte sich also ein Beispiel an der Charmeoffensive des kanadischen Premiers Justin Trudeau nehmen - "und um jeden Preis sicherstellen, dass es klickt zwischen ihr und Donald Trump".

Egal wie die Inszenierung vor den Kulissen aussieht, sicher ist, dass an Streitthemen kein Mangel herrscht. Trump will erreichen, dass der Nato-Partner Deutschland seine Verteidigungsausgaben massiv erhöht und den Amerikanern finanzielle Lasten abnimmt. Der wahre Zankapfel aber ist ein anderer: ein handelspolitischer Interessenkonflikt, der sich unter Umständen zu einem Handelskrieg auswachsen kann.

Während die USA 2016 für 107 Milliarden Euro Waren aus Deutschland importierten, exportierten sie nur für 57 Milliarden Euro. Solche Scheren sind es, die der Populist Trump als Wurzel allen Übels in den tristen Städten des "Rostgürtels" der USA ausgemacht hatte. In überraschender Deutlichkeit hat sein handelspolitischer Berater Peter Navarro seither meist Deutschland als Störfaktor benannt, noch vor China und Mexiko, den Prügelknaben der Kampagne. Bei jeder Gelegenheit unterstellt Navarro den Deutschen, den Kurs des Euro gezielt niedrig zu halten, um eigenen Exportfirmen Vorteile zu verschaffen.

Das lässt auf handfesten Krach schließen, wobei abzuwarten bleibt, ob sich der Hardliner gegen realistischere Köpfe durchzusetzen vermag. Etwa gegen Gary Cohn, der von der Investmentbank Goldman Sachs ins Weiße Haus wechselte und dort den Nationalen Wirtschaftsrat leitet. Um den handelspolitischen Falken Paroli zu bieten, lässt sich Merkel von zwei Spitzenmanagern begleiten, von Jo Kaeser (Siemens) und Harald Krüger (BMW). Beide sollen dem Präsidenten erklären, wie viele Arbeitsplätze ihre Unternehmen in den USA schaffen. Wirtschaftsleuten, so das Kalkül, glaubt er vielleicht eher als einer Politikerin.

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