„Wir sind jung – Wir sind da – Wir bleiben“

Verdun · Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande haben in Verdun der Schlacht vor 100 Jahren gedacht. Höhepunkt des Tages war eine Aufführung von fast 4000 deutschen und französischen Jugendlichen auf dem Gräberfeld von Douaumont.

Tausende Jugendliche in bunten T-Shirts zwischen den weißen Kreuzen des Gräberfelds von Douaumont: Es war eine Zeremonie der ungewöhnlichen Art, die gestern an den 100. Jahrestag der Schlacht von Verdun erinnerte. 1984 hatten Helmut Kohl und François Mitterrand auf den Gräbern von Verdun die Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich mit einem Handschlag besiegelt. Mehr als 30 Jahre später richteten ihre Nachfolger Angela Merkel und François Hollande am selben Ort den Blick nach vorn. "Verdun ist ein Ort der Hoffnung auf eine gute gemeinsame Zukunft", sagte Merkel in ihrer rund zehnminütigen Ansprache.

Es war eine Rede, die auch die Gegenwart nicht aussparte. Verdun zeige, wie lebenswichtig es sei, sich nicht abzuschotten. "Rein nationales Denken würde uns nur zurückwerfen", warnte die Bundeskanzlerin. Dass bei der Zeremonie nicht die großen Gesten, sondern die Bilder im Vordergrund stehen sollen, hatte Hollande schon vor dem Treffen klargemacht. "Wir müssen uns nicht mehr versöhnen. Das ist bereits passiert", sagte er in einem Radiointerview. Nun sei es Aufgabe beider Länder, den europäischen Idealen neuen Schwung zu geben. Deshalb hatte der Staatschef zu der Zeremonie auch EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker und den Präsidenten des Europaparlaments Martin Schulz eingeladen. Neben den Flaggen Deutschlands und Frankreichs zierte auch die Europaflagge das Podium - eine Tatsache, auf die Merkel ausdrücklich hinwies. "Lasst uns unsere Heimat lieben, aber das Haus Europa schützen", appellierte Hollande in seiner Ansprache.

Dass es Deutschland und Frankreich trotz der Bekenntnisse schwerfällt, Europa nicht nur zu schützen, sondern auch gemeinsam voranzubringen, hat die Flüchtlingskrise auf traurige Art und Weise gezeigt. Deshalb war es gut, dass statt der Worte die Bilder sprachen. Vor allem die Bilder der rund 4000 Jugendlichen, die eine Botschaft des Lebens aussandten. Unter der Regie von Volker Schlöndorff spielten Schüler aus allen 16 Bundesländern und den französischen Bildungsbezirken in einer 15 Minuten dauernden Choreographie die Schlacht von Verdun nach. Zu den Schlägen von Trommeln aus schwarzen Ölfässern kamen sie von beiden Seiten zwischen den Gräbern aufeinander zu, kämpften und lagen zuletzt bewegungslos auf dem Boden des einstigen Schlachtfeldes, auf dem ein schwarzer Sensenmann herumstolzierte. Doch der Tod trug diesmal nicht den Sieg davon - die Jugendlichen standen wieder auf und riefen: "Wir sind jung. Wir sind da. Wir bleiben."

Ihr Auftritt vor dem Beinhaus war der Höhepunkt eines langen Gedenktages an das "Grauen von Verdun ", bei dem 1916 innerhalb von zehn Monaten 300 000 Menschen starben. Die Erinnerung hatte am Morgen auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Consenvoye begonnen, sich dann in der ostfranzösischen Stadt Verdun und in der wiedereröffneten Gedenkstätte fortgesetzt. "Wir haben uns versöhnt. Wir haben uns verständigt. Wir sind Freunde geworden", steht auf einer Bronzeplatte, die Kohl und Mitterrand als Vermächtnis ihres Besuchs 1984 hinterließen. Merkel und Hollande könnten nun 32 Jahre später den Satz hinzufügen, den die Bundeskanzlerin am Schluss ihrer Rede aussprach: "Als Freunde gestalten wir die Zukunft miteinander."

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