Gauck fordert Debatte über Europas Werte

Sofia/Berlin · Vor dem Hintergrund der britischen Volksabstimmung ergreift der Bundespräsident die Chance zur Debatte über Europa. Er mahnt, den Unmut vieler Bürger über Brüssel aufzugreifen. Daraus sollten Ideen für Reformen entstehen.

Bundespräsident Joachim Gauck hat davor gewarnt, nach der Abstimmung der Briten über einen EU-Austritt einfach zur Tagesordnung überzugehen. "Wir sollten aus der Krise Lehren ziehen und weiter diskutieren, wie wir in Europa leben wollen", sagte Gauck in einer Rede vor Studenten in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Dies müsse "auf dem festen Fundament unserer gemeinsamen Werte" geschehen. Das Beste an der Debatte über den Brexit sei die Debatte selbst gewesen, sagte er. Sie habe Unmut über die Gemeinschaft ans Licht gebracht, der zuvor im Verborgenen geschwelt habe. Damit seien auch "Impulse für Reformen gesetzt" worden.

Durch die Brexit-Debatte spürten nun viele Politiker, "dass man auch zu viel Tempo einschlagen kann", sagte der Bundespräsident. Die Botschaft sei: "Übertreibt es nicht mit der allzu schnellen Vereinigung." Nach Gaucks Überzeugung ist eine Debatte über die Zukunft Europas auch deshalb wichtig, weil Krisen und Konflikte in unmittelbarer Nähe zur Verunsicherung beitrügen. "In einer Welt, die unübersichtlicher und unberechenbarer geworden ist, müssen wir Europäer - nicht zuletzt aus Eigeninteresse - mehr Verantwortung übernehmen", sagte der Präsident.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU ) warnte vor hektischen Reaktionen auf das britische Referendum. Europa solle das Ergebnis "gemeinsam und auch in Ruhe" beraten, sagte sie. Auch Österreichs Kanzler Christian Kern warnte vor Untergangsstimmung. Zugleich forderte er, im Licht der britischen Entscheidung darüber zu sprechen, "wie wir Solidarität in Europa definieren". Europas Staats- und Regierungschefs wollen nächste Woche über das Ergebnis des Referendums beraten.

In Großbritannien strömten die Bürger zu den Wahllokalen, um über den Verbleib ihres Landes in der EU abzustimmen. Rund 46,5 Millionen Briten hatten sich dafür registriert. Wie Befragungen noch am Wahltag zeigten, waren viele Bürger aber bis zuletzt noch unentschlossen, auf welche Seite sie sich schlagen sollten. > e

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort