„Er wirkt so offen und ehrlich“

Saarbrücken · SPD-Hoffnungsträger Martin Schulz auf Wahlkampf-Tour im Saarland: In Saarlouis fliegen ihm die Herzen vieler Menschen zu.

Wahlkampf in Saarlouis: SPD-Hoffnungsträger Kanzlerkandidat Martin Schulz zusammen mit Bundesjustizminister Heiko Maas (3.v.l), der Spitzenkandidatin der Saar-SPD, Anke Rehlinger, OB-Kandidat Peter Demmer (2.v.r.) und dem noch amtierenden Saarlouiser OB Roland Henz (r.). Foto: bub

Wahlkampf in Saarlouis: SPD-Hoffnungsträger Kanzlerkandidat Martin Schulz zusammen mit Bundesjustizminister Heiko Maas (3.v.l), der Spitzenkandidatin der Saar-SPD, Anke Rehlinger, OB-Kandidat Peter Demmer (2.v.r.) und dem noch amtierenden Saarlouiser OB Roland Henz (r.). Foto: bub

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Erst vor wenigen Tagen zum Kandidaten gekürt, tourt SPD-Hoffnungsträger Martin Schulz bereits atemlos durch die Republik. In Wanne-Eickel trugen ihn die wahlkampftrutzigen NRW-Genossen diese Woche auf einer Welle der Glückseligkeit durch den Mondpalast, gestern nun schlug die neue Lichtgestalt der SPD im Saarland auf, um den Wahlkampf der Landes-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger und dem Saarlouiser Oberbürgermeister-Kandidaten Peter Demmer mit neuer Strahlkraft aufzufrisieren.

Zunächst aber erwarteten ihn im Kongresszentrum der Völklinger SHG-Klinik auf Einladung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi rund 150 jener Menschen, von denen Schulz sagt, er kenne ihre Sorgen und Nöte ganz genau - und denen er mehr Lohngerechtigkeit verspricht. Von mehr Lohn ist hier allerdings zunächst nicht die Rede. Wo der Schuh am heftigsten drückt, steht indes auf zahlreichen Transparenten: "Wir kämpfen gegen Abbau", "Mehr von uns ist mehr für alle" oder "Personalmangel gefährdet die Gesundheit". Allein, der Hoffnungsträger soll sie gar nicht zu Gesicht bekommen. Just als die Veranstaltung starten soll, teilt Verdi mit: Martin Schulz erscheint gar nicht. Aus Termingründen. Leider, leider. Pannen passieren, es zeigt sich einmal mehr: Heilsbringer sind eben (manchmal) auch nur Menschen. Und noch bevor die Anwesenden an einen schlechten Scherz glauben können, steht "als Ersatz" SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach vor ihnen. Von Schulz beauftragt, den Pflegekräften Mut zu machen. "Der Martin und ich sind seit langen Jahren enge Freunde." Gewiss, das nimmt man Lauterbach ab. Beide wissen freilich, dass es eine immense "Arbeitsverdichtung" gibt. Die Lösung liege daher in einer Regulierung der Fallpauschalen nach skandinavischem Muster, wo der Pflegeaufwand extra vergütet werde. Mit der Union allerdings sei eine solche Reform nicht machbar. "Die wollen das einfach nicht", erklärt der Experte, bevor ihm am Ende das Mikrofon mit lautem Knall den Dienst versagt. Die SPD werde eine Änderung wohl auch in ihr Wahlprogramm schreiben. Das sei die Botschaft von Martin Schulz, ruft Lauterbach in den Saal hinein, der schwarz-rot bestuhlt ist. Ob das ein Omen ist?

So mancher in Völklingen ist enttäuscht, Schulz nicht zu erleben: "Ich setze große Hoffnung in ihn", sagt ein Pfleger. "Er wirkt offen und ehrlich, vielleicht wird die SPD mit ihm die Sozialdemokratie wieder in den Griff bekommen." Eine Stationsleiterin zweifelt ein wenig: "Schulz hat klare Kante gezeigt, aber ich weiß nicht, ob er es ge stemmt kriegt."

Am Nachmittag taucht der sehnlich Erwartete dann endlich auf: am SPD-Stand auf dem Großen Markt in Saarlouis. Beim Promenieren durch die Französische Straße geht Schulz unter in einem riesigen Pulk von Fotografen, Journalisten, Genossen und Schaulustigen. Er schüttelt unzählige Hände, lässt sich mit ebenso vielen strahlenden Menschen auf Selfies verewigen, verteilt rote Rosen, plaudert mit Alt und Jung, besucht Geschäfte. "Das sieht ja wirklich fein hier aus", rühmt Schulz die Saarlouiser Einkaufsstraße und schaut sich zufrieden um, bevor er erneut angesprochen wird. "Sie sind ja ein brillanter Redner", lobt ihn eine Dame. "Ja, ich versuche es", entgegnet der Hoffnungsträger bescheiden. Eine Luxemburgerin möchte ein Autogramm von ihm: "Herr Schön, Sie sind ja öfter mit dem Herrn Juncker zusammengewesen", meint sie. Schulz verzichtet auf die Korrektur und nimmt den Namens-Fauxpas hin. Er ist ein Sympathieträger, das merkt man - auch wenn die meisten um ihn herum ohnehin SPD-Mitglieder sind. An diesem Tag in Saarlouis verblassen alle hohen Genossen neben ihm - sogar Bundesjustizminister Heiko Maas, der ihn begleitet. Dieser wird weitgehend in Ruhe gelassen, ebenso die Kandidaten Anke Rehlinger und Peter Demmer. A uch Saar-Umweltminister Reinhold Jost und der noch amtierende OB Roland Henz sind eher schmückend Beiwerk. Letzterer führt den Gast dann noch zur Speisung: An einem Stand darf Schulz in eine heiße Brezel beißen, und dann gemeinsam mit den Genossen die berühmte Currywurst am Großen Markt probieren. Mit Pommes. "Hhhm", sagt Schulz mit hochgezogenen Augenbrauen und erhobenem Daumen - bevor er in einer dunklen Limousine wieder en tschwindet.

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Schulz schwimmt auf der Umfrage-Welle Nicht nur in Saarlouis erlebt Martin Schulz Zustimmung: Nach dem jüngsten ARD-Wahltrend von Donnerstag schiebt der SPD-Kanzlerkandidat seine Partei um acht Punkte auf 28 Prozent voran. Die Union kommt auf 34 Prozent (minus drei). Wenn der Kanzler direkt gewählt werden könnte, würden sich sogar 50 Prozent für Schulz entscheiden, nur 34 für Merkel.

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