Der ewige Vorsitzende nimmt Abschied

Saarbrücken · Hubert Ulrich reagiert auf das Wahl-Debakel: Nach Jahrzehnten an der Spitze der Saar-Grünen tritt er ab – und gibt sich gewohnt undurchschaubar.

 Ende einer Ära: Ulrich führte die Saar-Grünen von 1991 bis 1999 und dann wieder seit 2002.Foto: B&B

Ende einer Ära: Ulrich führte die Saar-Grünen von 1991 bis 1999 und dann wieder seit 2002.Foto: B&B

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Er war der ewige, er war der große, er war der nie geliebte Vorsitzende, zuletzt galt er als Dinosaurier des "Ancien regime" bei den Grünen - und er verschwand. Schon gestern Morgen, 8.19 Uhr, noch bevor Hubert Ulrich (59) vor die Landespressekonferenz im Saar-Landtag trat, war der Landtagswahl-Spitzenkandidat der Grünen Geschichte. Das Internet-Lexikon Wikipedia sprach um diese Uhrzeit bereits in der Vergangenheitsform von ihm als Landeschef.

Ein Vierteljahrhundert führt Ulrich die aktuell rund 1300 Grünen-Mitglieder im Saar-Verband, hätte das gerne weiter getan und wäre wohl auch Fraktionschef geblieben. Wären Ulrich am Sonntag nicht die Wähler in die Parade gefahren, in die eines "Panzers", so nennt man ihn. Ulrich rolle nieder, was sich ihm in den Weg stellt, heißt es, insbesondere parteiintern. Er überlebte Lagerkämpfe und Palastrevolten, war der Erfinder eines strengen Rauchverbots in Kneipen. Der 1,90 Meter große Grüne hat etwas Hünenhaftes. Dazu passt sein zweiter Beiname "Hubsi" eigentlich nicht, aber wer kennt ihn schon wirklich? Selbst wenn er losrüpelt, scheint das weniger mit Unbeherrschtheit zu tun zu haben als mit Angriffs-Kalkül.

Auch gestern hatte ein sichtlich erschöpfter Ulrich die Miene äußerlicher Unbewegtheit aufgesetzt. Er kam in den Landtag, um abzudanken: Ein Mann, der 2009 bei Jamaika (Schwarz-Grün-Gelb) der Königsmacher war und auch im aktuellen Wahlkampf von der SPD als potenzieller Regierungs-Mehrheits-Bringer für Rot-Rot-Grün akzeptiert wurde, obwohl ihn viele Sozialdemokraten just wegen Jamaika immer noch als Verräter schmähen. Während ihn die CDU als ungeheuer verlässlich schätzt. Ja, Ulrich, der Machtstratege und Durchregierer, er polarisiert. Gestern wiederholte er, was er bereits am Wahlabend in Mikros gesprochen hatte: "Ich übernehme die Verantwortung für die Wahlniederlage." Die so aussieht: Rausgeflogen aus dem Landtag, nur noch 4 Prozent Zustimmung - Werte weit unter dem Bundestrend. Er werde nicht mehr für den Landesvorsitz kandidieren, sagte der Noch-Parteichef. Man werde bei den Grünen die "Verjüngung" fortsetzen, die man bei der Listenaufstellung für die Wahl begonnen habe, die Führung werde sich neu aufstellen, ein Landesparteitag über diese neue Weichenstellung entscheiden. Den Begriff Rücktritt oder Rückzug vermied Ulrich, selbst auf Nachfragen hin. Er sagte lediglich: "Ich werde keine Führungsrolle mehr übernehmen."

Zugleich kündigte er an, in der Saarlouiser Kommunalpolitik aktiv zu bleiben, dort, wo er zu Hause ist, wo er, der vierfache Vater, gelernter Werkzeugmacher und späterer Diplom-Wirtschaftsingenieur, einst im "Humpen" kellnerte. In Saarlouis begann 1982 auch Ulrichs Polit-Karriere als Ortsverbands-Vorsitzender, und immer noch holen die Grünen in der Stadt vergleichsweise gute Werte. Wird Ulrich von Saarlouis aus als graue Eminenz die Parteistrippen ziehen, an denen die Nachfolger zappeln? Was seinen Rückzug angeht, blieb Ulrich gestern merkwürdig ungenau. Klar fiel hingegen seine Ursachen-Forschung für den Wahl-Fehlschlag aus, ohne dass er den eigenen Anteil konkret nannte. Ulrich sieht unter anderem im schlechten Bundestrend einen Faktor. Auch sei womöglich die Werbekampagne mit Grubenwasser und Donald Trump ein Fehler gewesen und seine Kandidatur auf Listenplatz 1 vor Barbara Meyer-Gluche. Außerdem hätten 5000 Grüne, um Rot-Rot zu verhindern und auf Nummer sicher zu gehen, CDU gewählt. Eine letzte bittere Bilanz.

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